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Politik: George W. Bush: Appell an die Kinder Abrahams

George W. Bush ist immer für eine Überraschung gut.

George W. Bush ist immer für eine Überraschung gut. Dies sollte seine erste Rede als US-Präsident vor einem amerikanisch-jüdischen Publikum sein. Spannung lag in der Luft. Denn Amerikas Juden mögen ihn nicht besonders. Sie wählen überwiegend die Demokraten. Die Republikaner werden wegen ihrer Nähe zu den christlichen Fundamentalisten gemieden. Bush wiederum hat, im Unterschied zu Bill Clinton, keinen Juden in sein Kabinett aufgenommen. So etwas wird in den Vereinigten Staaten registriert. Und sein Vater, Bush senior, hatte sich 1991 offen mit der damaligen israelischen Regierung angelegt. Was also würde Bush junior jetzt sagen? Mit welchen Worten würde er den Konflikt im Nahen Osten kommentieren?

"Wir müssen die Welt auf die fürchterlichen Menschenrechtsverletzungen im Sudan aufmerksam machen. So lange die Verfolgungen und Greueltaten dort nicht aufhören, wird meine Regierung nicht müde, ihre Stimme dagegen zu erheben und entsprechend zu handeln." Wie bitte, wo? Mit dieser Botschaft hatte niemand gerechnet. Bush appellierte inständig an die tausend versammelten "Kinder Abrahams", sich für ein Ende des 18-jährigen Bürgerkriegs im flächenmäßig größten afrikanischen Land einzusetzen. Zum Nahost-Konflikt kein Wort.

Es war aus mehreren Gründen ein denkwürdiger Abend, anlässlich der 95. Jahrestagung des "American Jewish Committee" (AJC) in Washington. Außenminister Joschka Fischer, der hier verehrt wird wie sonst kaum ein deutscher Politiker, las seltsam monoton und ohne aufzuschauen seine Rede ab, in der er an den Holocaust erinnerte und daran, dass die Bundesregierung immer fest an der Seite Israels steht. Dann verschwand er. Mit poetischem Furor dagegen donnerte Israels Außenminister Schimon Peres in den riesigen Museums-Saal: "Weder Gewehrkugeln noch Bomben halten uns davon ab, den Frieden zu suchen."

Der mexikanische Präsident Vicente Fox schließlich zitierte Franz Kafka ("Wir sind alle jüdischer, als wir denken"), beklagte sich anschließend über die Diskriminierung der mexikanischen Einwanderer in den USA und bedankte sich dann bei Bush dafür, dass dieser das Problem erkannt habe.

Keine andere Organisation als das AJC bringt solche Redner zusammen. 1906 wurde sie von deutsch-jüdischen Einwanderern gegründet. Seitdem setzt sie sich für Menschenrechte, Demokratie, Religionsfreiheit und den Staat Israel ein. In dem konfliktträchtigen Beziehungsdreieck Deutschland-Israel-USA spielt das AJC eine entscheidende Vermittlerrolle. Ohne seine Initiativen würde es etwa eine Entschädigung der osteuropäischen Juden und der NS-Zwangsarbeiter nicht geben.

Das Publikum an diesem Abend - die mehreren hundert Vertreter aus 45 jüdischen Gemeinden aus aller Welt, die 35 Bundeswehr-Offiziere und etwa 50 Kongress-Abgeordneten - ging allerdings etwas verunsichert nach Hause. Vielleicht ist die Lage im Sudan ja tatsächlich ernster, als man bisher geglaubt hatte.

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