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Politik: „Gesellschaft von Teilhabern“

Bundespräsident Köhler schlägt in einer Rede vor dem DGB vor, Arbeitnehmer an Firmen zu beteiligen

Berlin - Bundespräsident Horst Köhler hat seinen Auftritt vor dem „Parlament der Arbeit“ am Montag gut genutzt – zur Kritik in gleich mehrere Richtungen. Bei dem alle vier Jahre stattfindenden DGB- Bundeskongress, forderte Köhler in Berlin nicht nur die Bundesregierung auf, zusätzliche Steuern für die Senkung der Lohnnebenkosten zu nutzen. Köhler mahnte auch die Arbeitgeber – und warb für seine Idee einer Arbeitnehmerbeteiligung. „Über den Zugang zu Produktivvermögen und Kapitaleinkommen“ könne man den Arbeitnehmern „eine zweite Einkommensquelle erschließen“, sagte der Bundespräsident. In den vergangenen Jahren seien die Einkünfte aus Unternehmertätigkeit und Vermögen schließlich deutlich stärker gestiegen als die Lohneinkommen. Deshalb sei Ludwig Erhards Idee „einer Gesellschaft von Teilhabern aktueller denn je“, um „die weltweiten Wohlstandsgewinne stärker als bisher auch den Arbeitnehmern zugute kommen zu lassen“.

Die Gewerkschaften stehen dem allerdings reserviert gegenüber, weil sie nicht mit Lohneinbußen Beteiligungen finanzieren und weil sie nicht auch noch zum Arbeitsplatzrisiko das unternehmerische Risiko mittragen wollen. DGB-Chef Michael Sommer reagierte denn auch nicht auf die Anregung Köhlers. Stattdessen lobte Sommer den Bundespräsidenten für dessen Anmerkungen zur Globalisierung. Köhler hatte vor mehr als 1000 Gewerkschaftsdelegierten und Gästen vor „Regellosigkeit“ gewarnt. Da es „der Markt allein nicht richten wird“, brauche der weltweite Kapitalismus „klare Spielregeln“ für Rechtssicherheit, „ein stabiles Finanzsystem, eine faire Welthandelsordnung, humane Arbeitsbedingungen und weltweiten Umweltschutz“.

Zu Beginn des einwöchigen DGB-Kongresses, der unter dem Motto „die Würde des Menschen ist unser Maßstab“ steht, hatte Sommer das Selbstverständnis der Gewerkschaften „als Stimme der lebendigen Arbeit im Gegensatz zum toten Kapital“ beschrieben. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit forderte in einem Grußwort die Delegierten auf, zum Wohle der Berliner Wirtschaft viel Geld in der Stadt auszugeben. Wowereit verteidigte die Reichensteuer, die Mitbestimmung und den Kündigungsschutz und forderte ein Mindesteinkommen, „von dem man auch leben kann“. Sommer kommentierte die forsche Rede des Bürgermeisters, der im September wiedergewählt werden will und von den Gewerkschaftern deutlich mehr Applaus bekam als Köhler, mit den Worten: „Ich wusste gar nicht, dass du dich auch für den DGB-Vorsitz bewerben willst.“

Den mit Abstand stärksten Applaus bekam die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer bei den Referaten der Vorstandsmitglieder zum Geschäftsbericht. Engelen-Kefer geißelte die Hartz-Gesetze als Chaos, verteidigte energisch die „solidarische Finanzierung der Sozialsysteme“ und kritisierte die „Krokodilstränen“ der Politiker über die Kinderarmut. Laut Engelen-Kefer scheut „die Generation Praktikum, die Generation Minijob und die Generation Leiharbeit“ die Verantwortung für Kinder. Vielmehr seien ordentlich bezahlte Arbeitsplätze die beste Voraussetzung für Kinder, sage Engelen-Kefer unter dem Jubel der Delegierten. Am Dienstag entscheidet sich, ob sie wieder für den Vorstand kandidiert, obwohl sie von den Vorsitzenden der DGB-Gewerkschaften nicht nominiert wurde. Eine gute Sozialpolitik sei die beste Werbung für mehr Mitglieder, „und dafür stehe ich“, sagte Engelen-Kefer, ohne klar zu sagen, ob sie antreten will.

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