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Politik: Gipfel ohne Fernblick

Beim Treffen im Kanzleramt mit den Spitzen der Energiebranche geht es vor allem um Investitionen – weniger um Langfristiges

Berlin - Die Erwartungen an den Energiegipfel bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sind eher tief gehängt. Wenn die Regierung am Montagabend mit 22 Managern aus der Energiebranche, der Industrie, einem Gewerkschafter und einer Verbraucherschützerin berät, soll es um Strompreise gehen und um die geplanten Investitionen der großen Energiekonzerne, um die Stromversorgung in Deutschland zu sichern. Merkel erwartet konkrete Angaben, wie die Konzerne ihre Kraftwerkskapazitäten bis 2012 ausbauen wollen. Worum es nicht gehen wird, sind langfristige Klimaschutzziele, die in der Koalition hoch umstrittene Frage des Atomausstiegs oder einen langfristigen Energiemix für Deutschland.

Der grüne Umweltpolitiker Reinhard Loske spottet über das Treffen deshalb, es sei „der Gipfel der Aussparungen“. Denn es werde nicht einmal umfassend über Energieeinsparungen diskutiert. Aus Sicht der Umweltverbände ist das größte Manko, dass der Klimaschutz keine zentrale Rolle spielen soll – abgesehen davon, dass keine Umweltorganisation eingeladen wurde. Die Klimachefin des World Wide Fund for Nature (WWF), Regine Günther, kritisiert, dass die von der Industrie angekündigte Investitionsliste vor allem neue Kohlekraftwerke enthält. Damit werde auf rund 40 Jahre ein Kohlendioxid-Sockel festgeschrieben, „der Deutschland klimapolitisch ins Aus“ befördern könnte.

Ohne ein langfristiges Klimaschutzziel gebe es für die Konzerne keine Planungssicherheit, argumentiert auch Grünen-Politiker Loske. Nur wenn die Energieerzeuger wüssten, welche Menge an Kohlendioxid (CO2) ihnen in Zukunft zur Verfügung stünde, könnten sie sinnvolle Investitionsentscheidungen treffen. Regine Günther vermutet, dass die Liste in Zukunft als Erpressungsmittel dienen wird, um von der Regierung ein höheres Kontingent an CO2-Zertifikaten zu bekommen. Das hätte zur Folge, dass Deutschland seine Klimaschutzverpflichtungen entweder nicht erfüllen könnte, oder mehr CO2 in den Haushalten und im Verkehr eingespart werden müsste, was schwieriger und letztlich teurer wäre – zumindest für die Verbraucher.

In der Bundesregierung rechnet man damit, dass die Unternehmen beim Energiegipfel für eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken plädieren. Ein Thema, das Merkel aussparen wollte, weil es zwischen SPD und Union umstritten ist. In Koalitionskreisen rechnet man allerdings damit, dass Merkel sich zum Koalitionsvertrag und damit zum Atomausstieg bekennen wird.

Dass eine Laufzeitverlängerung der Wirtschaft die Luft verschaffen könnte, den Ausbau der erneuerbaren Energien besser zu bewältigen, bezweifelt Felix Matthes vom Öko-Institut. In einer Studie rechnet er vor, dass eine Laufzeitverlängerung zwar den großen Konzernen zusätzliche jährliche Gewinne zwischen 0,3 Milliarden Euro (Vattenfall) und 1,2 Milliarden Euro (RWE) einbringen könnte. Doch das hemme lediglich Investitionen in erneuerbare Energien, weil diese sich zunächst nicht lohnen würden.

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