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Politik: Gnade für die Mitläufer

Die USA wollen nicht alle Anhänger Saddams bestrafen. Nur die engsten Gefolgsleute werden Verhören unterzogen

IRAK ZWISCHEN KRIEG UND FRIEDEN

Die Pik-Fünf wurde schon vor einigen Tagen gefasst, das war Saddam Husseins Halbbruder. Ebenso die Pik-Dame, ein ehemaliger irakischer Premierminister. Die Pik-Acht dagegen hat sich am Donnerstag selbst gestellt. Nun ist auch Tarik Asis, vordem stellvertretender Ministerpräsident des Iraks, in den Händen der amerikanischen Besatzungsmacht. Was fehlt, sind die Asse. Sowohl vom Pik-As, Saddam Hussein, als auch vom Kreuz-As, Sohn Kussai, und Herz-As, Sohn Udai, fehlt jede Spur. Das Karo-As wurde Saddams persönlichem Sekretär zugedacht. Die Gerüchte verdichten sich, dass der Chef-Diktator bei einem der Raketenangriffe zumindest schwer verletzt, wenn nicht gar getötet wurde. Doch sicher ist das nicht.

Allerdings belegen die zahlreichen Verhaftungen, dass der innerste Führungszirkel des Regimes nicht etwa geflohen ist, wie unmittelbar nach dem Fall von Bagdad noch befürchtet worden war. Über geheime Tunnelsysteme wurde spekuliert, die Flucht nach Tikrit, Gesichtsoperationen, Doppelgänger, Verbindungen nach Syrien oder Iran. Inzwischen drängt sich der Eindruck auf, dass die Spitze der Baath-Partei bis zum bitteren Ende in der irakischen Hauptstadt ausgeharrt hat. Nicht einmal die mehreren hundert Millionen Dollar, die jetzt in den Palästen gefunden werden, sind außer Landes gebracht worden. Der Krieg, der am Ende so schnell vorbei war, lässt weiterhin viele Rätsel ungelöst. Warum gab es keinen Häuserkampf in Bagdad? Warum wurden keine biochemischen Waffen eingesetzt? Warum hat sich die Führung nicht rechtzeitig abgesetzt?

All diese Fragen sollen jetzt die Verhafteten beantworten. Sie werden, wie es lakonisch heißt, vom US-Militär an einen „Ort, der nicht bekannt gegeben wird", gebracht. Das kann ein Kriegsschiff sein oder ein amerikanischer Stützpunkt. Dort jedenfalls beginnen die Verhöre. Allerdings eilt die Sache nicht. Die Al-Qaida-Kämpfer und Taliban-Sympathisanten, die in Afghanistan festgenommen wurden, waren potenziell wertvolle Informanten, um die Strukturen der Terrororganisation besser zu verstehen und geplante Anschläge zu vereiteln. Deren Hinweise waren für FBI und CIA buchstäblich lebenswichtig. Ganz anders dagegen das ehemalige irakische Regime. Von deren Mitgliedern erhoffen sich die Amerikaner allenfalls Aufschlüsse über die vermuteten Massenvernichtungswaffen und den Verbleib von Saddam Hussein.

Was aber soll mit den alten Kadern geschehen? Nach welchem Vorbild soll der Irak seine Vergangenheit aufarbeiten? Was ist moralisch wünschenswert, was stabilitätspolitisch realistisch? Die Baath-Partei hatte zwei Millionen Mitglieder. Sie alle zu bestrafen, wäre unsinnig. In den Sicherheits- und Geheimdiensten waren 400 000 Männer beschäftigt. Sie wussten nicht nur von den Folterkammern und systematischen Misshandlungen, viele von ihnen waren selbst an den Grausamkeiten beteiligt. Zusätzlich zu den 55 Meistgesuchten haben die USA eine schwarze Liste mit ungefähr 3000 Namen angelegt. Darauf sind die verzeichnet, die das Rückgrat des Regimes gebildet haben. Am besten wäre wohl, die Irakis selbst würden ihre ehemaligen Unterdrücker zur Rechenschaft ziehen. Aber unabhängige Richter lassen sich nicht finden. Das gesamte Justizwesen des Landes war korrumpiert.

Damit die Vergangenheitsbewältigung gelingt, schreibt eine Kommentatorin der „Washington Post", muss sie aber so weit wie möglich von den Irakern als ein Prozess erfahren werden, den sie selbst gestalten. Das abschreckende Gegenbeispiel lasse sich in der Ex-DDR studieren. Die Ostdeutschen mögen die beste Infrastruktur, das beste Sozialsystem und den höchsten Lebensstandard von allen Osteuropäern haben. Aber weil ihnen das alles von Westdeutschland übergestülpt worden sei, empfänden sie das nicht als ihre eigene Leistung, auf die sie stolz sein können. Eines indes darf als sicher gelten: dass Saddam Hussein, wie einst Erich Honecker, seinen Lebensabend in Freiheit verbringt, ist ausgeschlossen.

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