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Politik: „Gnadenlos niedrig“

Paritätischer Wohlfahrtsverband fordert höhere Hartz-IV-Sätze für Kinder und Jugendliche

Berlin - Bisher macht es sich die Regierung einfach: Kinder sind für sie – Hartz- IV-technisch gesehen – lediglich kleine Erwachsene. Sie brauchen dasselbe, nur von allem etwas weniger. Nach dieser Logik erhalten die unter 14-Jährigen 60 Prozent des Hartz-IV-Regelsatzes, für 14- bis 18- Jährige gibt es 80 Prozent. Rein rechnerisch stehen jedem Säugling im Monat folglich 11,90 Euro für Tabak und Alkohol zu, für Windeln jedoch kein Cent.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband nutzte dieses Beispiel, um zweierlei deutlich zu machen. Erstens: Kinder brauchen endlich einen eigenen, bedarfsgerechten Regelsatz. Und zweitens: Die bisherigen Pauschalsätze von 211 Euro für die Kleinen und 281 Euro für Jugendliche reichen, weil „im Blindflug“ festgesetzt, hinten und vorne nicht. Sie müssten, so Verbandschefin Heidi Merk, schleunigst erhöht werden – und zwar um bis zu 40 Prozent. „Dabei sprechen wir nicht etwa von Luxus, sondern nur vom Allernötigsten.“ Nötig wären 254 Euro für unter Sechsjährige, 297 Euro für Sechs- bis 14-Jährige und 321 Euro für Jugendliche unter 18. Zudem müsse es wieder Extraleistungen etwa für ein Fahrrad oder für Nachhilfe geben. Die Mehrkosten für den Bund lägen, alles in allem, bei zehn Milliarden Euro.

Wegen der „gnadenlos niedrigen“ Bemessung seien Eltern gezwungen, ihre Kinder aus dem eigenen Regelsatz mitzufinanzieren, sagte Merk. Und ihr Verbandsgeschäftsführer Ulrich Schneider nannte die Vorstellung, dass ein 13- Jähriger nur 60 und ein 16-Jähriger nur 80 Prozent vom Lebensmittelbedarf eines Erwachsenen benötige, „bestenfalls abwegig“. Tatsächlich benötige man für den Nahrungskauf selbst „auf Discounterniveau“ 16 bis 27 Prozent mehr. Noch deutlicher sei die Diskrepanz bei Kleidung und Schuhen. Hier müsse der Betrag bei unter Sechsjährigen um 55 Prozent und bei unter 14-Jährigen gar um 82 Prozent steigen. Schließlich verursachten Heranwachsende besonders hohe Kleidungsausgaben. Auf die größte Abweichung kam die Verbandsexpertise allerdings beim Posten Freizeit, Kultur und Bildung. Hier werden Sechs- bis 14-Jährigen 23,99 Euro im Monat zugestanden, nötig seien aber knapp 88 Euro. Der Regelsatz nämlich orientiert sich an allein lebenden Erwachsenen, kinderspezifische Ausgaben sind nicht vorgesehen. So gebe es keinen Cent mehr für Bildung, obwohl Kinder bis 14 Kosten dafür 20 Euro im Monat benötigten, so der Verband. Und für Spielzeug seien 62 Cent veranschlagt – realistisch wären 21 Euro.

Für die eigenen Zahlen habe man dieselbe Berechnungsgrundlage wie die Regierung gewählt, versicherte Schneider: das Ausgabeverhalten der untersten 20 Prozent auf der Einkommensskala. Allerdings habe man sich nicht an allein lebenden Erwachsenen, sondern an Haushalten mit Kindern orientiert, einen höheren Bedarf vor allem im Sport- und Kultursektor zugrunde gelegt und gestiegene Lebenshaltungskosten berücksichtigt. Bei den Regelsätzen habe sich diesbezüglich seit 2003 ja kaum etwas getan – trotz eines Kaufkraftverlusts von über acht Prozent.

Ein höherer Regelsatz für Hartz IV würde sich auch auf das steuerliche Existenzminimum auswirken. Der Kinderfreibetrag müsse ebenfalls steigen, fordert der Verband – und zwar von 5808 auf 6972 Euro. Der noch ausstehende Existenzminimumsbericht der Regierung sieht nur eine Erhöhung auf 6008 Euro vor. Reicht nicht, meint Schneider. Dies werde dem tatsächlichen Mindestbedarf von Kindern „in keiner Weise gerecht“.

Auch der Familienbund der Katholiken warnte davor, die Lebenshaltungskosten von Kindern niedrig zu rechnen. „Eltern haben ein Recht darauf, keine Steuern auf den Lebensunterhalt ihrer Kinder zahlen zu müssen“, so Präsidentin Elisabeth Bußmann. Sie forderte einen um 1000 Euro höheren Freibetrag sowie einen Kindergeldaufschlag „wenigstens um 28 Euro“.

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