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Gold, Lithium und Co.: Der Kampf um die Rohstoffe

Der Bedarf an Rohstoffen ist hoch wie nie und überall in der Welt werden neue Ressourcen entdeckt – zuletzt auch in Afghanistan. Wie wichtig sind sie für die Ökonomie?

Rohstoffe sind gefragt wie nie. Vor allem die High-Tech-Industrie hat einen enormen Bedarf. In der Rezession sind die Preise zwar wieder gefallen, doch dass es wieder häufiger zu Metalldiebstählen bei Bahn-Oberleitungen kommt, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Preise wieder steigen. In der kommenden Woche will Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) zum zweiten Rohstoffdialog mit der Industrie und Gewerkschaften innerhalb von nur zwei Monaten zusammentreffen. Debattiert werden soll die Schaffung einer Rohstoffagentur bei der Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe (BGR), die für die Unternehmen die Rohstoffmärkte beobachten soll. Brüderle versprach zudem mit den wichtigsten Rohstoffnationen „bilaterale Handelsverträge“ abzuschließen, damit die deutsche Wirtschaft ihren Rohstoffbedarf decken kann. Auch in der EU wird seit zwei Jahren an einer Rohstoffstrategie gezimmert.

Welche Rohstoffe haben eine besondere strategische Bedeutung?

Seltene Metalle und seltene Erden spielen für viele Zukunftstechnologien eine entscheidende Rolle. Als ein Beispiel nennt der Augsburger Physikprofessor Armin Reller das Indium. Das Material wird für Flachbildschirme gebraucht, aber auch für die Dünnschicht-Photovoltaik. Nach einer Prognose des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung Berlin und des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung für das Jahr 2030 müsste die Weltproduktion von Indium bis dahin mehr als verachtfacht werden, um den Bedarf zu decken. Dabei gibt es weltweit keine einzige Indium-Mine. Das Mineral kommt in so geringen Mengen in der Erdkruste vor, dass es nur in Verbindung mit anderen Mineralien gefördert wird. Die derzeitige Weltproduktion stammt zu 97 Prozent aus China, und dort wird angesichts des steigenden Eigenbedarfs über Exportbeschränkungen für Indium nachgedacht. Deshalb ist es bereits wirtschaftlich geworden, in das Sekundär-Fördergeschäft einzusteigen. Dabei werden Halden bestehender Bergwerke nach den seltenen Metallen durchsucht. Im Prinzip wäre auch das verstärkte Recycling dieser Metalle ein lohnendes Geschäft. Denn das Beratungsgremium des Umweltprogramms der Vereinten Nationen in Rohstofffragen hat in einer demnächst erscheinenden Studie ermittelt, dass weltweit nicht einmal ein Prozent dieser Rohstoffe zurückgewonnen werden. Dabei, sagt Ernst Ulrich von Weizsäcker, der dem Gremium angehört, enthalte eine Tonne ausgedienter Mobiltelefone mehr Gold als eine Tonne Gestein in den Goldminen Südafrikas. Das gilt selbst für Platin, das zumindest teilweise aus Auto-Katalysatoren zurückgewonnen wird. 42 Prozent der Weltplatinproduktion werden derzeit für Katalysatoren verbraucht. Von besonderer Bedeutung sind neben den Metallen für die Informations- und Kommunikationstechnologie auch die Rohstoffe, die beispielsweise für die Elektromobilität unverzichtbar sind. Das ist beispielsweise Lithium, das für die Batterien gebraucht wird. Neben Bolivien, das über die größten nachgewiesenen Lithium-Reserven der Welt verfügt, könnte in ein paar Jahrzehnten auch Afghanistan eine Rolle in diesem Geschäft spielen. Für Elektromotoren braucht es aber auch noch weitere seltene Rohstoffe wie etwa Neodym, das für Permanentmagnete in diesen Motoren notwendig ist.

Was bedeutet es, dass viele dieser Rohstoffe in politisch instabilen Gebieten sind?

In einem Mobiltelefon sind etwa ein Drittel aller chemischen Elemente des Periodensystems enthalten – wenn auch in sehr geringen Mengen. Dazu zählt auch Tantal. Schon seit Jahren steigt der Bedarf für das seltene Metall, weil der Mobilfunkmarkt stetig wächst. Derzeit ist Australien noch der größte Tantal-Produzent, 2007 waren es nach Informationen der britischen und der amerikanischen Geologie-Behörden 435 Tonnen, gefolgt von Brasilien (180 Tonnen), Äthiopien (77 Tonnen), Kanada (45 Tonnen), Ruanda (42 Tonnen). Die Demokratische Republik Kongo ist der neuntgrößte Exporteur mit 0,5 Tonnen. Allerdings gibt es viele Fachleute, die zumindest einen Teil der ruandischen Ausfuhren auf Reserven im Kongo zurückführen. Ruanda hat in den 90er Jahren Krieg im Ostkongo geführt, und sich dabei auch Zugang zu Koltan-Minen gesichert. In dieser Verbindung wird Tantal im Kongo gefördert – und zwar meistens unter der Kontrolle von am Bürgerkrieg beteiligten Milizen. Zur Entwicklung der Wirtschaft hat die Gewinnung von Bodenschätzen aber nicht beigetragen – und das nicht nur im Kongo. Das gilt auch für andere, vor allem afrikanische, Länder wie etwa Guinea, das auf den größten Bauxitvorkommen der Welt sitzt. Aus Bauxit wird Aluminium gewonnen. Doch Guinea ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt. In der Entwicklungspolitik wird das Phänomen als Rohstofffluch bezeichnet. Gründe für den ausbleibenden Effekt sind die politisch instabile Lage in diesen Ländern und eine hohe Korruptionsrate – beides macht es für Investoren wenig attraktiv, dort tätig zu werden.

Tobt in Afghanistan ein Rohstoffkrieg?

Auf die Idee könnte man angesichts des stetig wachsenden Bedarfs nach Metallen für die High-Tech-Industrie kommen. Allerdings genügt es nicht, sich Rohstoffvorkommen territorial zu sichern. Selbst wenn die Nato-Staaten vor allem aus Rohstoffinteressen heraus in Afghanistan wären, würde das noch lange nicht bedeuten, dass sie damit auch Zugang zu den Bodenschätzen bekämen. Zwar hat Afghanistans Präsident Hamid Karsai in der vergangenen Woche bei einem Besuch in Japan die Regierung in Tokio eingeladen, bei der Erschließung der Bodenschätze dabei zu sein. Doch angesichts der starken Konzentration der Bergbauunternehmen – allein neun der 40 größten Konzerne sind kanadisch, weitere sieben britisch, zwei australisch-britisch und fünf weitere australisch – ist das ein frommer Wunsch. Jüngst hat der staatliche chinesische Bergbaukonzern aufgeholt und speziell in Afrika eine Vielzahl von Schürflizenzen erworben, doch die Marktmacht der großen Konzerne ist nur schwer zu brechen. Im Jahr 2008 haben die drei größten Bergbauunternehmen der Welt die Preise für Eisenerz um 70 Prozent erhöht. Da halfen die Proteste der Stahlproduzenten wenig.

Kann Afghanistan von seinem neu entdeckten Rohstoffreichtum profitieren?

Die Vorlaufzeiten für die Förderung von Rohstoffen sind sehr lang. Es kann Jahrzehnte dauern, bis die neu aufgefundenen Lagerstätten auch genutzt werden können. In Afghanistan fehlt es an allem: Es gibt keine qualifizierten Geologen, die an der konkreten Lagerstätte die wirtschaftlichen Perspektiven ermitteln können. Es gibt auch keine Fachkräfte für den Betrieb von Minen. Außerdem fehlt es an jeglicher Infrastruktur. Viele Lagerstätten sind zudem in umkämpften Gebieten ohne Straßenanschluss. Armin Reller warnt, dass in Afghanistan eine Entwicklung wie im Kongo möglich sei.

Gibt es Mittel gegen den Rohstofffluch?

Es gibt zwei Ansätze: mehr Transparenz und die Zertifizierung von Rohstoffen. Die Extractive Industries Transparency Initiative (Eiti) vereinbart mit Regierungen Berichtspflichten über Einnahmen aus Rohstoffverkäufen. Diese Informationen helfen der Zivilgesellschaft, ihre Regierungen in die Verantwortung zu nehmen. Zwei Staaten haben die Eiti-Anforderungen inzwischen erfüllt: Aserbeidschan und Liberia. Weitere 28 Staaten sind Kandidaten auf eine Mitgliedschaft, darunter auch Afghanistan. Die zweite Strategie ist die Zertifizierung. Im sogenannten Kimberly-Prozess werden Diamanten zertifiziert. Damit sollte der Handel mit „Blut-Diamanten“ aus afrikanischen Bürgerkriegsländern unterbunden werden. Da die Mitgliedsstaaten einstimmig entscheiden, ist es jüngst nicht gelungen, Simbabwe, wo die Partei des umstrittenen Präsidenten Robert Mugabe die Kontrolle über die Diamantenminen hat, aus dem Kimberly-Prozess auszuschließen. Ähnliche Zertifizierungssysteme sind für Rohstoffe wie Koltan im Aufbau. Die BGR und die deutsche Entwicklungsorganisation GTZ sind an diesem Versuch beteiligt.

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