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Später Besuch. Monate nachdem Umweltminister Norbert Röttgen (r.) die Wiederaufnahme der Erkundung in Gorleben beschlossen hatte, ließ er sich vom Chef des Strahlenschutzamtes, Wolfram König, den Salzstock erklären.

© Fabian Bimmer/dapd

Gorleben: Ohne Endlager keine Atomenergie

"Merkel und Röttgen machen da weiter, wo Helmut Kohl und Merkel aufgehört haben", sagt die SPD-Obfrau im Gorleben-Untersuchungsausschuss, Ute Vogt. Grüne und SPD sind überzeugt, dass Gorleben nur aus politischen Gründen weiter erkundet wird.

Berlin - Zwar ist von der ursprünglichen Planung der umstrittenen Erkundung des Gorlebener Salzstocks als atomares Endlager kaum noch etwas übrig. Doch an den Zwängen, die den Konflikt seit 30 Jahren befeuert haben, hat sich nahezu nichts geändert. Das ist das Fazit, das die beiden grünen Bundestagsabgeordneten Sylvia Kotting-Uhl und Dorothea Steiner nach acht Monaten Arbeit im Gorleben-Untersuchungsausschuss ziehen.

Sylvia Kotting-Uhl sieht im sogenannten Entsorgungsnachweis den  Hauptgrund dafür, warum in Gorleben „eine falsche Entscheidung nach der anderen“ getroffen worden sei. Seit 1977 wurde der Neubau von Atomkraftwerken an Fortschritte bei Erkundung und Erschließung eines Endlagers gekoppelt. Doch schon ein Jahr später endete die Einlagerung im Skandal-Endlager Asse. Mindestens drei große Atomkraftwerke – Brokdorf, Lingen und Neckarwestheim – hatten damals noch keine Betriebsgenehmigung, gleichzeitig versank die Atomindustrie im Müll. Es musste also schnell ein Endlager oder zumindest ein Standort her. Und da Niedersachsen nicht bereit war, die von der bundeseigenen Wiederaufarbeitungsfirma Kewa vorgeschlagenen Standorte Wahn, Lichtenhorst oder Lutterloh zu akzeptieren und stattdessen Gorleben vorschlug, blieb dem Bund wenig anderes übrig, als zuzustimmen. 1977 wurde Gorleben, im Wendland an der DDR-Grenze gelegen, zum Endlagerstandort.

1982 seufzte der damalige zuständige Innenminister Gerhard Baum in einer Bundestagsdebatte: „Ich kann nicht mehr tun, als die Bundesländer zu bitten, auch im Hinblick auf Endlagerstätten in Granit oder wo auch immer. Ich habe bisher von keinem einzigen Bundesland eine positive Antwort bekommen. Ich habe kein Territorium.“ Deshalb musste der für die Entscheidung maßgebliche Zwischenbericht der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt 1983 auch unbedingt positiv ausfallen. Im Gorleben-Untersuchungsausschuss sagten mehrere beteiligte Wissenschaftler aus: „Es gab eine Weisung.“ Der Vorschlag, auch alternative Standorte zu erkunden, musste aus dem Dokument gestrichen werden.

Als 1996/97 klar wurde, dass der Bund den Grafen Andreas von Bernstorff und die evangelische Kirchengemeinde Gartow nicht dazu würde überreden können, ihre Salzrechte für die Erkundung des Salzstocks aufzugeben, wurde das gesamte Erkundungskonzept verändert. Die damalige Umweltministerin Angela Merkel (CDU) lehnte ein von der Atomindustrie gefordertes Erkundungsmoratorium ab. Stattdessen wurde, um den Entsorgungsnachweis nicht zu gefährden, weiter erkundet – um die umstrittenen Salzrechte herum. Und das, obwohl die Fachbehörden, das Bundesamt für Strahlenschutz und die Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe, 1993 übereinstimmend zu dem Schluss gekommen waren, dass „die Beschränkung der Erkundung auf den nordöstlichen Teil des Salzstocks nur unter Aufgabe von Sicherheitskriterien mit zusätzlichem Zeit- und Finanzaufwand möglich wäre“. Merkel sagte der Industrie zu, dass dieses Konzept für sie etwa 300 Millionen Mark billiger würde. Von einem Moratorium war keine Rede mehr.

Kotting-Uhl sagt mit Blick auf die Wiederaufnahme der Erkundung in Gorleben: „Auch Umweltminister Norbert Röttgen steht wegen der Laufzeitverlängerung jetzt wieder unter dem Zwang, Fortschritte bei der Endlagerung vorweisen zu müssen.“ Die SPD-Obfrau im Gorlebenuntersuchungsausschuss, Ute Vogt, sieht das genauso: „Merkel und Röttgen machen da weiter, wo Helmut Kohl und Merkel aufgehört haben.“ Dagegen hält der Unions-Obmann im Ausschuss, Reinhard Grindel die Verkleinerung des Erkundungsgebiets für „völlig unproblematisch“, weil die Menge des einzulagernden Atomabfalls deutlich geringer sei als in den 70er Jahren angenommen, sagte er der „Braunschweiger Zeitung“.

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