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Grenzzwischenfall: Schüsse, Kidnapping, empörte Polen

Der Eklat um den deutschen Ausflugsdampfer "Adler Dania" schlägt weiter binationale Wellen. Während man in Polen den Zwischenfall als Kidnapping sieht und bestreitet, scharf geschossen zu haben, unterstellt der deutsche Kapitän den Zollbeamten unlautere Bereicherung.

Heringsdorf/Berlin - An der Seebrücke Heringsdorf warten wie gewohnt ein paar Urlauber auf den Ausflugsdampfer. Und doch ist am Donnerstag alles anders bei der Abfahrt des Adler-Schiffes. "Auf Grund neuerlicher Probleme mit polnischen Behörden heute kein Schiffsverkehr nach Polen möglich", steht auf einem Plakat am Brückenzugang. Punkt 12.15 Uhr legt zwar die "Adler X1" Richtung Ahlbeck ab, sie startet jedoch nur zur Ostseerundfahrt und meidet dabei die polnischen Gewässer - nicht ohne Grund.

Was sich am Dienstag während der Fahrt der 600 Passagiere fassenden "Adler Dania" auf der Ostsee vor Usedom ereignet hat, ist weiter unklar. Bei der Einfahrt nach Swinemünde sollen drei Zöllner in Zivil Zugang zu gesperrten Schiffsbereichen verlangt haben, wie Adler-Betriebsleiter Alwin Müller erklärt. Alle Spirituosenbestände sollten konfisziert werden. Auf der Pier in Swinemünde stand ein ziviler Pkw mit Anhänger. "Derselbe Pkw stand schon einmal dort, als 83.000 Zigaretten von Bord verbracht wurden. Angeblich zur Beweissicherung. Da können Sie sich selber ausrechnen, was da laufen sollte", sagt Müller erregt.

Polnische Küstenwache will nicht scharf geschossen haben

Er habe den Befehl zum Wendemanöver gegeben, woraufhin die polnische Küstenwache die Verfolgung aufnahm. Nach Passagierberichten pfiffen Schüsse über das Schiff, nach Aussagen des polnischen Zolls wurden jedoch lediglich zwei grüne Warnraketen abgefeuert. Verletzt wurde niemand, die "Adler Dania" legte anschließend unversehrt in Heringsdorf an. Jetzt ankert das "Beweisstück" in Peenemünde.

Für Alwin Müller ist die Sache klar. "Das Fehlverhalten liegt auf Seiten der polnischen Behörden", ruft er im Büro beschwörend in das Telefon, wo pausenlos Journalisten von ihm Auskunft haben wollen. Die angeblichen Zöllner in Zivil hätten sich nicht ordnungsgemäß ausweisen können.

Polens Presse spricht von "Schmugglerschiff"

Die Polen sehen das ganz anders. "Deutsche haben unsere Leute gekidnappt", titelt eine Tageszeitung. Die Beamten im Dienst seien nach Heringsdorf verschleppt worden, die Küstenwache habe es nicht geschafft, das "Schmugglerschiff" aufzuhalten.

Wurden nun Warnschüsse abgegeben oder nicht? Kapitän Heinz Arendt könnte beschwören, dass scharf geschossen wurde. Ein Offizier habe von Deck des polnischen Schiffes mit einer Pistole "drei bis vier Schüsse ohne Leuchtsignal" abgegeben. Die polnischen Behörden dagegen sprechen nur von "zwei Leuchtraketen", wie auch die stellvertretende Sprecherin des Zollamtes Stettin, Aneta Oppeln-Bromikowska, betont. Jedoch berichten polnische Zeitungen von so genannten Getöseschüssen, frei mit Platzpatronen übersetzt.

Beschuss zu "denkbar friedvollsten Zeiten"

"Ich fahre nun schon 46 Jahre zur See, aber noch nie habe ich erlebt, dass ein ziviles Schiff beschossen wurde", entrüstet sich der 66-jährige Müller. Auch Kapitän Arendt zeigt sich empört, dass zu "denkbar friedvollsten Zeiten auf ein Passagierschiff geschossen" werde.

Auseinandersetzungen mit dem polnischen Zoll hatte es auch in der Vergangenheit schon gegeben. Zigaretten seien ohne Begründung von Beamten in Zivil kassiert und jeweils in privaten Pkw abtransportiert worden, erzählt Müller. Auch auf anwaltliche Nachfrage habe es keine schriftliche Begründung, geschweige denn ein Verfahren gegeben, sagt der Betriebsleiter.

Auswärtiges Amt schaltet sich ein

In die Ermittlungen haben sich bereits das Auswärtige Amt sowie die zuständigen Innenbehörden eingeschaltet. Man bemühe sich um Klärung des Sachverhalts, hieß es am Donnerstag. Alle rechtlichen und darüber hinausgehenden Fragen in diesem Zusammenhang müssten rasch und im Geiste der gutnachbarschaftlichen deutsch-polnischen Beziehungen aufgeklärt werden.

Müller verhandelt indessen bereits mit den polnischen Behörden, "dass ich morgen vielleicht wieder fahren kann". Freitags steht die Fahrt nach Misdroy auf der Insel Wollin an, die Route kam erst Ende September nach zweijährigem Kampf mit der polnischen Bürokratie zustande. Sie ist ein Zugpferd für Adler. (tso/ddp)

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