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Politik: Griechische Zyprioten verlangen Schadenersatz von Ankara

Erneut hat ein zyprisches Unternehmen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Schadenersatzansprüche gegen die Türkei angemeldet, die seit 1974 den Nordteil der Insel Zypern militärisch besetzt hält. Die in Limassol ansässige Firma Galanos Brothers, ein Lebensmittelverarbeiter, sieht ihre Rechte dadurch verletzt, dass sie ihren Besitz im türkisch kontrollierten Teil der Insel seit 1974 nicht nutzen kann.

Erneut hat ein zyprisches Unternehmen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Schadenersatzansprüche gegen die Türkei angemeldet, die seit 1974 den Nordteil der Insel Zypern militärisch besetzt hält. Die in Limassol ansässige Firma Galanos Brothers, ein Lebensmittelverarbeiter, sieht ihre Rechte dadurch verletzt, dass sie ihren Besitz im türkisch kontrollierten Teil der Insel seit 1974 nicht nutzen kann. Er umfasst sieben Grundstücke, eine Keksfabrik, einen Mühlenbetrieb sowie Lagerhäuser. Die Klage wurde Anfang der Woche in Straßburg eingereicht. Mit einer Entscheidung über die Zulassung der Klage sei in etwa drei Monaten zu rechnen, erklärte der Anwalt des Unternehmens, Achilleas Dimitriadis, dem Tagesspiegel.

Türkische Truppen besetzten im Sommer 1974 etwa 38 Prozent des Territoriums der Inselrepublik, nachdem die damals in Athen regierende Obristenjunta zuvor versucht hatte, das zu 80 Prozent von ethnischen Griechen bewohnte Zypern zu annektieren und die türkische Minderheit zu vertreiben. Während der Invasion flohen rund 180 000 griechische Zyprer aus dem Inselnorden.

In einer Grundsatzentscheidung hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits 1998 der griechischen Zypriotin Titina Loizidou eine Entschädigung in Höhe von 914 000 US-Dollar zugesprochen, weil sie wegen der türkischen Besatzung ihren Grundbesitz in Nordzypern nicht nutzen kann. Außerdem bestätigte das Gericht ausdrücklich die Besitzansprüche Loizidous auf ihre Immobilien. Die Türkei ignoriert das Straßburger Urteil bisher allerdings und verweigert die Zahlung. Damit liegt der Fall nun beim Ministerkomitee des Europarats, das die Umsetzung der Entscheidungen des Straßburger Gerichtshofes zu überwachen hat. Das Ministerkomitee forderte die Türkei zuletzt in einer Entschließung vom 9. Oktober 1999 dringend auf, die vom Gericht festgesetzte Entschädigung zu leisten. Ankara aber argumentiert, es handle sich um einen "politischen Fall", der nicht unter die Jurisdiktion der Straßburger Richter falle.

Dies ist der erste Fall in der über 50-jährigen Geschichte des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, in dem sich ein Mitgliedsland des Europarats einer Entscheidung der Straßburger Richter offen widersetzt. Der Vorgang ist aber auch im Hinblick auf die von der Türkei angestrebte Mitgliedschaft in der EU von Bedeutung. Ignoriert die Türkei die Entscheidung im Fall Loizidou, droht in letzter Konsequenz womöglich der Ausschluss aus dem Europarat, was wiederum nicht ohne negative Auswirkungen auf die EU-Beitrittskandidatur bleiben dürfte. Erkennt Ankara dagegen die Zuständigkeit der Straßburger Richter im Fall Loizidou an, stehen Schadenersatzzahlungen in astronomischer Höhe an. In Straßburg sind bereits rund 150 Beschwerden griechischer Zyprer anhängig. Griechisch-zyprische Juristen beziffern die möglichen Ansprüche aller vertriebenen griechischen Zyprioten auf 16 Milliarden Dollar.

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