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Großajatollahs Montazeri: Irans Opposition verliert ihre spirituelle Leitfigur

In der Nacht zum Sonntag ist Hossein Ali Montazeri im Alter von 87 Jahren gestorben. Der angesehene schiitische Theologe war einer der prominentesten Unterstützer der Opposition in den obersten Rängen der iranischen Geistlichkeit.

Kairo - Sein letzter Brief an die grüne Opposition wurde zum Vermächtnis: „Lasst euch nicht dazu hinreißen, mit Gewalt zu antworten, wenn die Mächtigen mit Gewalt und Unterdrückung vorgehen“, mahnte der 87-jährige Großajatollah Anfang Dezember die jungen Anhänger der grünen Bewegung, die sich mit vier Fragen an ihn gewandt hatten. „Erwartet keinen schnellen und einfachen Sieg.“ Die grüne Bewegung dürfe nicht ungeduldig werden. In Zeiten des Widerstands, wenn es darum gehe, die Rechte des Volkes wiederzubeleben, sei das Erdulden von Härten wichtig – wie der Koran lehre.

In der Nacht zum Sonntag ist Hossein Ali Montazeri im Alter von 87 Jahren gestorben. Damit verliert die grüne Opposition ihre spirituelle Leitfigur und einen ihrer prominentesten Unterstützer in den obersten Rängen der iranischen Geistlichkeit. Am Montag wird der Verstorbene, der weltweit zu den angesehensten schiitischen Theologen zählt, in Qom beerdigt – ausländische Journalisten dürfen nicht berichten. Denn sein Begräbnis könnte eine der größten politischen Demonstrationen gegen das iranische Regime seit der umstrittenen Präsidentenwahl im Juni dieses Jahres werden.

1922 in einer Bauernfamilie in dem Dorf Nadschafabad geboren, gehörte Montazeri seit den sechziger Jahren zu den engsten Mitstreitern von Ajatollah Chomeini. Er studierte Theologie und wurde anschließend Dozent für islamische Wissenschaft und Philosophie in Qom, bis heute das Zentrum schiitischer Gelehrsamkeit im Iran. Zu Zeiten des Schahs saß Montazeri vier Jahre im Gefängnis und wurde mehrfach gefoltert. Nach der triumphalen Rückkehr Chomeinis von Paris nach Teheran Anfang 1979 gehörte der begabte Theologe sofort zur Führungselite des neuen Regimes. Er wurde Ajatollah in Teheran.

1985 ernannte ihn der Staatsgründer der Islamischen Republik zu seinem Nachfolger. Drei Jahre später jedoch fiel Montazeri in Ungnade. Er hatte gegen die Massenerschießungen in iranischen Gefängnissen protestiert. Zum 10. Jahrestag nach dem Sturz des Schahs im Februar 1989 zog er sogar eine eher negative Bilanz der iranischen Revolution. Damit war das Maß voll, der schwer krebskranke Chomeini entzog ihm das Vertrauen. Nach dessen Tod im Juni 1989 rückte Montazeris Intimfeind Ali Chamenei an die Staatsspitze. Als Montazeri 1997 öffentlich kritisierte, Chamenei sei als Staatsoberhaupt nicht ausreichend qualifiziert und mische sich zu oft in die Politik ein, verwüsteten Schläger sein Büro, Montazeri wurde unter Hausarrest gestellt. Erst 2003 wurde der Bannfluch aufgehoben. Und der Großajatollah legte sich erneut mit den Mächtigen an. So warf er Mahmud Ahmadinedschad mehrfach vor, er wolle eine Diktatur im Namen des Islam errichten. „Das Land gehört dem Volk, nicht irgendjemandem“, schrieb der Geistliche in einem Rechtsgutachten, das Schlagzeilen rund um die Welt machte. Martin Gehlen

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