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Große Koalition: "Da scheinen einige durchzudrehen"

Die SPD-Führung hat von der Union mehr Disziplin gefordert. SPD-Fraktionschef Peter Struck warnte den Koalitionspartner davor, sich weiter auf Kosten der Sozialdemokraten zu profilieren.

Berlin - Nach Überzeugung von Vize-Kanzler Franz Müntefering (SPD) waren die vergangenen zwei Wochen abträglich für die ganze Regierung. "Ich war schon sauer über das eine oder andere, was da beim Koalitionspartner gelaufen ist", sagte er dem Magazin "Focus". Er erwarte, dass es in der Union und der Regierung "jetzt klare Führung" gebe. Müntefering kritisierte insbesondere Wirtschaftsminister Michael Glos. Was der CSU-Ressortchef in letzter Zeit an Erklärungen abgegeben habe, passe nicht zu einem vernünftigen Koalitionsklima. Wahlkampf dauere nicht vier Jahre, sondern vier Monate.

Auch Struck pochte auf stärkere Einhaltung des Koalitionsvertrags durch die Union. "Doch da scheinen einige durchzudrehen", sagte er dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Auch er warf Glos wegen der Forderung nach Steuersenkungen undiszipliniertes Verhalten vor. Für den Fall, dass CDU und CSU eine Regelung zur Erbschaftsteuer hinauszögerten, sieht der SPD-Fraktionschef das Ende der Koalition gekommen: "Dann würde ich sagen: Jetzt ist Schluss."

Struck: Schäuble taktiert

Struck hielt Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor, aus taktischen Gründen auf einen Terroranschlag in Deutschland zu setzen. Anders könne er sich die ständige Forderung des Ministers nach einem Bundeswehr-Einsatz im Innern nicht erklären. Wenn tatsächlich etwas passiere, wolle Schäuble die Verantwortung dafür bei der SPD festmachen, weil sie gegen einen solchen Einsatz von Soldaten sei.

Nach Ansicht von Unions-Fraktionschef Volker Kauder hat das Bündnis bereits vor der Halbzeit den Wahlperiode ihre Hauptarbeit erledigt. Der Koalitionsvertrag sei "zu zwei Dritteln" abgearbeitet, sagte er der "Bild"-Zeitung. Kauder sieht für die von Glos geforderten Steuersenkungen derzeit keinen Spielraum, jedoch für niedrigere Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. "Haushaltssanierung hat für uns oberste Priorität", betonte er.

Sinn: Merkel hat versagt

Der Ökonom Hans-Werner Sinn warf der Kanzlerin Versagen in der der Wirtschaftspolitik vor. "Ihr Programm war fantastisch. Aber was ist daraus geworden", sagte der Chef des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts (Ifo), der Merkel noch nach ihrer Wahl beraten hatte, der "Welt". Der Aufschwung werde nicht für Reformen genutzt. Stattdessen gebe es eine "Wirtschaftspolitik auf Sparflamme". Auch Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt beklagte einen schleppenden Reformeifer in der Koalition. Sie dürfe wegen der günstigen Wirtschaftsentwicklung jetzt nicht "die Hände in den Schoß legen", sagte er den "Stuttgarter Nachrichten". (tso/dpa)

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