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Politik: Großprojekt erhitzt den Norden Streit um Kraftwerk

in Lubmin

Lubmin - Ein am Greifswalder Bodden bei Lubmin geplantes Steinkohlekraftwerk löst in Mecklenburg-Vorpommern heftige Diskussionen aus. Dabei gerät vor allem die SPD in die Bredouille. Ihr Ministerpräsident Harald Ringstorff schwärmt vom „Urknall“ für die Re-Industrialisierung Vorpommerns, seine Partei hingegen fordert vom Bauherrn, das Vorhaben auf die Hälfte zu verkleinern.

Noch in diesem Jahr würde der dänische Energiekonzern Dong Energy (Dansk Olie og Naturgas A/S, mehrheitlich in Staatsbesitz) am liebsten mit dem Bau des zwei Milliarden-Euro-Projekts beginnen. 2012 soll das Kraftwerk ans Netz gehen. Mit 1600 Megawatt Leistung wäre es eines der größten neuen Steinkohlekraftwerke in Deutschland. Auf Steinkohle könne bei der Energiegewinnung vorerst nicht verzichtet werden, das neue Werk ersetze schließlich ältere weitaus größere Dreckschleudern, und zudem würden mindestens 340 Arbeitsplätze in der strukturschwachen Region gesichert, argumentiert Dong. Die Befürworter sehen Lubmin als Energieknotenpunkt im südlichen Ostseeraum, Mecklenburg-Vorpommern gar als Strom- Exporteur. Neben Dong wollen Eon und Gasprom ein Gaskraftwerk bauen, schließlich endet in Lubmin demnächst die Ostsee-Pipeline. Die Energiewerke Nord demontieren in Lubmin weiterhin das einst größte Atomkraftwerk der DDR und werben so weltweit um Kunden. Weitere Unternehmen sollen den industriellen Kern vergrößern.

Vier Kilometer westlich des Industriegebiets am Bodden, im 2000-Einwohner-Dorf Lubmin, bilden Lokalpolitiker fast aller Couleur, Bürgerinitiativen, Umweltschützer und Tourismusverbände allerdings eine breite Front der Kraftwerksgegner. Sie sammeln Unterschriften für ein Volksbegehren und bereiten Klagen gegen die „Dreckschleuder“ vor. Steinkohlekraftwerke seien wegen des enormen CO2-Ausstoßes in Zeiten des Klimawandels ein Unding, heißt es bei Greenpeace und WWF. Sie fürchten eine Erwärmung des Ostseewassers um vier Grad, wenn stündlich bis zu 250 000 Kubikmeter Kühlwasser in den Bodden fließen, Blaualgenplagen seien die Folge. Quecksilber- und Cadmium-Emissionen würden Wälder und Wasser zusätzlich verschmutzen. Gastronomen bangen selbst am anderen Boddenufer im Süden Rügens um ihre Gäste. Dong hält dagegen: Das Boddenwasser würde sich im schlimmsten Fall um knapp einen Grad erwärmen. Zu DDR-Kernkraftwerkszeiten sei es eher wärmer geworden. Außerdem lägen alle Emissionen deutlich unter den gesetzlich erlaubten Grenzwerten.

Um den Protest abzufedern, fordert die Landes-SPD inzwischen von Dong Energy, mit einem halb so großen Kraftwerk auszukommen. Landesparteichef und Sozialminister Erwin Sellering verkündete sogar: „Seit wir wissen, dass in Lubmin ein Gaskraftwerk entsteht, ist unser Interesse am Kohlekraftwerk deutlich geringer.“ Mecklenburg-Vorpommerns Ruf als Tourismus- und Gesundheitsland dürfe nicht gefährdet werden. Die CDU und die Unternehmerverbände werfen der SPD Wankelmütigkeit vor, die Investoren vergraule und den Standort schwäche.Andreas Frost

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