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Die abgesackte Ostseeautobahn bei Tribsees Anfang des Jahres. Das ursprünglich 40 Meter große Loch wuchs auf 95 Meter.

© dpa

Großprojekte in Deutschland: Elsenbrücke, BER, A20 – haben wir das Bauen verlernt?

Überall laufen Großprojekte aus dem Ruder. Aber selten, weil deutsche Ingenieure versagen – eher wegen fahrlässiger Eingriffe, auch der Politik.

Am BER bauen der Bund, Berlin und Brandenburg seit zwölf Jahren. In Kiel soll der Ersatz einer Schleuse, Teil des Nord-Ost-See-Kanals 12 Jahre dauern. Über ihre Faszination für das der Pleite entronnene Meisterwerk vergessen Freunde der Elbphilharmonie gerne, dass das 2007 beschlossene Konzerthaus 2016 mit sechs Jahren Verspätung öffnete. Stuttgart 21 warfen die Bürger im Ländle durch ihre Proteste um Jahre zurück. Und jetzt das: Die Lebensader im Ost-West-Verkehr Berlins, die Elsenbrücke, ist angegriffen, der Senat muss sie erneuern – und braucht dafür acht bis zehn Jahre.

Ingenieurkunst verlernt?

Wohin man in Deutschland auch schaut: Der weltweit für ihre Ingenieurkunst bewunderten Nation scheint der Sachverstand ausgegangen zu sein. Es dauert lange, sehr lange bis Straßen und Autobahnen und Brücken, Wohnhäuser und Siedlungen fertigwerden. Großprojekte, die rechtzeitig übergeben werden, sind fast schon ein Kuriosum. Jüngst stoppte das Bundesverwaltungsgericht die Ostsee-Autobahn A20 – wegen wasser- und artenschutzrechtlicher Bedenken.

Der weltgrößte Flughafen in Peking soll im kommenden Jahr eröffnen, nur fünf Jahre nach dem Start der Arbeiten, obwohl die exzentrische Stararchitektin Zaha Hadid den Entwurf zeichnete und deren kunstfertige Projekte fast schon als unbaubar gelten. Hierzulande werden auch Rekorde geschrieben: bei den Budgetüberschreitungen. Bauen dauert nicht nur viel länger als geplant, es kommt viel teurer – die Elbphilharmonie kostete elf Mal mehr als zunächst veranschlagt.

Wie konnte es so weit kommen?

Der neueste Fall aus Berlin: die marode Elsenbrücke, im Zentrum der Hauptstadt, über die täglich 55.000 Fahrzeuge donnern. Die Lebensader des Ost-Verkehrs im Zentrum Berlins, muss abgerissen und neu gebaut werden. Acht bis zehn Jahre dauert das. Sagte die Senatorin. Ein Jahrzehnt mit wechselnden Sperrungen, Kolonnen von Bauwagen, kilometerlangem Stau wegen der Fahrbahnverengung – droht der Verkehrsinfarkt in Mitte, nur weil eine Verwaltung eine Brücke ersetzen muss?

Erklären muss sich der Abteilungschef Tiefbau der Senatsverwaltung für Verkehr, Lutz Adam. Er sagt: „Wir können ja nicht die Brücke sperren, sprengen und die Betonteile von Tauchern aus der Spree rausholen lassen“. Der Abbruch einer alten Spannbetonbrücke sei ein hochkomplexer Prozess. Stück für Stück arbeiten sich Experten durch den Beton. Das dauert.

Erst mal ausschreiben, EU-weit - das dauert

Ohnehin ist man vom Beginn dieser Arbeiten nach der Entscheidung über Abriss und Neubau noch weit entfernt. Erst mal braucht es einen Bau-Ingenieur sowie einen Baukonzern. Die könne Berlin nicht einfach aus dem Telefonbuch raussuchen und einstellen, sagt Adam, „das wäre rechtswidrig im Quadrat“. Der Senat halte selbstverständlich die Vergaberegeln der Europäischen Union ein.

Und dann fragt der Chefplaner zurück: „Würden Sie selbst nicht wenigstens angehört werden wollen, wenn die neue Zufahrt zur Brücke über Ihr Grundstück verlaufen würde und wir das in Anspruch nehmen müssten?“ Eben. Und auch das dauert.

Warum China Rekorde schreibt

Aus China berichten Unternehmer, dass der Verlauf von Bahntrassen zwischen zwei Orten schon mal mit dem Lineal auf der Karte eingezeichnet werde: Häuser, Naturschutzgebiete, Gewerbe, alles, was im Weg steht, wird plattgemacht. In Deutschland passiert nach dem Beschluss zu bauen, erst mal gar nichts. Oder fast nichts: Es beginnt die Vorbereitung der Vorbereitung. Im Fall der Elsenbrücke: Hauseigene Mitarbeiter des Senats bereiten die Auswahl des planenden Ingenieurbüros vor, das erst mal den Plan für Abriss und Neubau der Brücke entwirft. Dieser Plan ist die Grundlage für die Auswahl der Firma, die nach diesem Plan baut. Ein Dreiviertel Jahr dauern allein diese beiden EU-weiten Ausschreibungsverfahren.

Die Elsenbrücke? Das Nervensystem Berlins!

Getan ist damit noch fast gar nichts. Ein Bauwerk wie die Elsenbrücke ist Teil des zentralen Nervensystems der Stadt: Oben rollen die Autos, darunter fahren die Schiffe, und im Bauch der Brücke verläuft ein Netz von Leitungen, die Haushalte mit Wasser, Strom, Internet, Telefon und Fernsehen sowie mit Energie versorgen. „Die kann man nicht einfach durchschneiden“, sagt Adam. Genauso wenig wie der Senat den Pendlern den Weg zum Arbeitsplatz abschneiden will. Also braucht es Provisorien. Für Kabel und Netzwerk. Und für den Verkehr. Grob gesagt wird die Elsenbrücke nicht nur ein Mal abgerissen und neu gebaut, sondern drei Mal. Und das immer nur abschnittsweise.

Mitreden dürfen viele

Genau deshalb vergeht so viel Zeit. Mehr Zeit als früher, als die Versorger alle noch staatlich waren und es wesentlich weniger Ansprechpartner gab. Heute gibt es nicht eine Staatsfirma, die alle mit Telefon oder Internet versorgt, sondern ein halbes Dutzend , und jede einzelne muss gefragt werden: Welche Leitung? Wie? Die privatisierten Betriebe fordern wirtschaftliche Trassen. Die Breite der Durchfahrt muss mit der Schifffahrt-Behörde abgestimmt werden, und es braucht mehrere Verkehrskonzepte je nach Bauphase.

Die veranschlagten acht bis zehn Jahre sind denn auch nur eine erste grobe Schätzung, sagt Adam. Und angenommen, es müsste schneller gehen? „Durch eine Vollsperrung könnte man zwei bis drei Jahre sparen“, sagt der Abteilungsleiter. Will aber keiner. Wie sollte der Verkehr auf dieser wichtigen Ader sonst fließen? Außerdem will niemand die Bürger davon abhalten mitzureden. Die Bürgerbeteiligung werde drei Monate im Fall der Elsenbrücke dauern, schätzt Adam. Viel weniger als beim Bau der Tangentialen Verbindung Ost zwischen Alt- Friedrichsfelde Allee und An der Wuhlheide.

Anhören, abwägen, dokumentieren

Ein weiterer Grund, warum Bauen in Deutschland so lange dauert: Überall muss angehört, abgewogen, dokumentiert und die Entscheidungen begründet werden. Mit den Beteiligten am Bau, den Bewohnern, mit dem Natur- und Artenschutz.

Sind Großprojekte unter diesen Bedingungen überhaupt beherrschbar? Einer, der sogar Wetten eingegangen wäre, dass seine Großprojekte rechtzeitig fertig werden und dazu noch – Risikorücklagen einbezogen – das Budget nicht sprengen, ist der frühere Ministerialbeamte, Manager des Regierungsumzugs von Bonn nach Berlin und Berlins Schlossbauherr: Manfred Rettig sagt, „die Technik ist beherrschbar, das Problem sind organisierte Unverantwortlichkeit und politische Aufsichtsgremien ohne Sachverstand“. Im Kontrollgremium von Berlins ewig unvollendetem Skandal-Flughafen BER hatte jahrelang der frühere Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit den Vorsitz – Bauexperten gab es so gut wie keine. Da hätten sich politische Interessen durchgesetzt, sagt Rettig, deshalb wurden fast schon beliebig Eröffnungstermine verkündet: zur Absicherung von Wahlerfolgen.

Reduzieren lässt sich das Chaos auf einen Fehler

Dank zweier parlamentarischer Untersuchungsverfahren ist der BER eine der bestdokumentiertesten Baukatastrophen Deutschlands. Reduzieren lässt sich der Supergau nach Überzeugung von Rettig auf einen Kardinalfehler: Änderungen an den Plänen in der Bauphase. Das geschah gleich mehrfach beim BER, sogar am Herzstück des Airports, dem Terminal. Weil dieser zu klein für die wachsenden Passagierzahlen war. Weil der A380 nicht andocken konnte. „Bei komplexen Bauten sind bis zu 20 Ingenieur-Dienstleistungen beteiligt, wenn auch nur eine einzige Wand verschoben wird, müssen alle Berechnungen auf den Prüfstand“. Das kostet Zeit, die nie wieder einzuholen ist, sagt Rettig.

Komplexe Bauten sind Formel-Eins-Wagen

Neue Gesetze sollen das Bauen einfacher machen.
Neue Gesetze sollen das Bauen einfacher machen.

© IMAGO STOCK&PEOPLE

Dass der Chef der Bundesstiftung, die das rund 600 Millionen Euro teure Schloss baut, kurz vor Fertigstellung der Barock-Rekonstruktion ausstieg, hat auch mit diesem No-Go zu tun. Denn mit der Berufung des namhaften Intendanten Neil MacGregor durch Kulturstaatsministerin Monica Grütters (CDU) drohte genau dieses Tabu zu fallen. Plötzlich sei öffentlich über Nutzungsänderungen beim Schloss und der Aufteilung von Flächen diskutiert worden, mit politischer Rückendeckung. Rettig sagt dazu zwar nichts. Aber der Ingenieur und Architekt erklärt die Folgen so: „Komplexe Bauten sind wie Formel-1-Autos – in der Bauphase einzugreifen, ist wie ein technischer Eingriff bei laufendem Motor.“

Im Untergrund lauern Risiken

Davor warnt auch der für Projektentwicklung zuständige Deutschland-Chef der Aktiengesellschaft CA-Immo Matthias Schmidt. Der Konzern baut einen ganzen Stadtteil nördlich vom Hauptbahnhof, und direkt davor das Schmidt zufolge „komplexestes Bauwerk Europas“: Den gläsernen „Cube“, vollgepfropft mit Digitaltechnik, vor allem aber errichtet mitten auf dem Tiergartentunnel der B96. Tonnenschwer drückt der Bürobau auf die unterirdischen Betonröhren. Kann das gut gehen? Ähnliche Vorhaben am Potsdamer Platz und am Alexanderplatz führten in die Katastrophe. Beim Bau der Mall of Berlin mussten deshalb die U-Bahn-Linien U1 und U2 zwei Monate gesperrt werden, Wasser war in den Tunnel unter der Erde eingedrungen. Am Alexanderplatz liegen die Pläne für den Neubau eines Hochhauses sogar ganz auf Eis, weil die BVG das Risiko einer Havarie für zu groß hält: ein wichtiger Teil von Berlins Bahnverkehr wäre lahmgelegt.

Das Havarie-Konzept als Garantieschein

Weil es unmöglich ist, dort zu bauen? Nicht unbedingt. Auch hier hängt alles von einer sorgsamen Planung ab, an der nicht mehr gerüttelt wird. „Wir haben 14 Monate gebraucht, allein um das Beweissicherungs- und Havarie-Konzept abzustimmen“, sagt Schmidt. Als der Vertrag mit der Senatsverwaltung für Verkehr unterzeichnet war, gingen die Arbeiten los. Die lange Planung mag jemand als Verzögerung des Projekts bewerten. Tatsächlich ist sie das Gegenteil, nämlich ein Garantieschein für einen reibungslosen Bauablauf. Natürlich habe sich der Tunnel trotzdem bewegt, während die Tonnen von Stahl und Beton vor dem Hauptbahnhof zum „Cube“ aufgetürmt wurden. Aber eben nur wenige Millimeter innerhalb des berechneten Bereichs. Und selbst wenn sich Risse unter der Last gebildet hätten, wären die Ingenieure und Bauleute ihnen mit vorher genau festgelegten Gegenmaßnahmen beigekommen – so wie im Vertrag festgelegt.

In Berlin braucht keiner eine Baugenehmigung - eigentlich

Wenn dem Leiter der Obersten Bauaufsicht Thomas Meyer vorgeworfen wird, Genehmigungsbehörden seien Schuld daran, dass Planen und Bauen in Deutschland so lange dauern, lehnt der sich zurück und antwortet: „Wenn ein Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, können Sie vier Wochen nach Einreichung Ihres Antrags mit dem Bauen beginnen. Es genügt das Vorhaben anzuzeigen.“ Vier Wochen? Ja – bei jedem Wohnhaus oder Bürobau, das kein Hochhaus ist und auch kein Sonderbau. Vorausgesetzt alle Vorschriften werden eingehalten: Brandschutz, Lärmschutz, Tierschutz, Naturschutz, Arbeitsstättenschutz, Denkmalschutz, Nachbarschutz.

Jeder Fehler verlängert die Frist

„Wenn“ muss man in Großbuchstaben schreiben. Bezirke und Senat prüfen die Einhaltung dieser Regeln zwar schon lange nicht mehr, weil das externe Ingenieure für sie tun. Aber erst wenn alle Unterlagen vorliegen, beginnt die vierwöchige Frist bis zur Erteilung der Genehmigung zu laufen. Schwieriger wird es, wenn es keinen Bebauungsplan gibt für das Grundstück. Dann entscheiden Behörden grundstücksbezogen. Aber auch die haben Fristen für ihre Stellungnahmen. Nur: Jedes Mal, wenn ein Amt einen Fehler entdeckt, wird die Uhr gestoppt. Die Frist von vier Wochen ist also graue Theorie. In der Praxis berichten sogar Entwickler von eher einfachen Bauaufgaben wie einem Mehrfamilienhaus oder einem Gewerbebau von monate- oder sogar jahrelangen Abstimmungen.

Fledermäuse und Kröten

Meyer bestreitet das nicht. „Jeder muss das öffentliche Recht einhalten.“ Und das werde immer komplizierter. Diese Erfahrung macht sogar das Land Berlin selbst. Der Bau einer Flüchtlingsunterkunft in Heckeshorn geriet ins Stocken wegen Fledermäusen. Bei Großküchen verlangen die hygienischen Vorschriften eine glatte weiße Fliese, damit die Keime wie auf einer Eisbahn abrutschen und fortgespült werden. Auf der spiegelglatten Fläche wären aber auch die Köche ausgerutscht, was mit dem Arbeitsschutz nicht vereinbar ist. Die Suche nach dem Kompromiss, einer Fliese die beide Erfordernisse erfüllt, kostete Zeit.

„Je genauer das Baurecht eingehalten wird, desto schneller bekommt man die Genehmigung“, sagt Meyer. In der Praxis gibt es aber auch hier wieder ein großes „Aber“: Kein Haus ist wie das andere und jede Ausnahme von der Regel will begründet sein. Angesichts der Wohnungsnot sind heute höhere und größere Bauten politisch sogar erwünscht – mit mehr Wohnungen, die enger an Nachbarhäuser heranrücken. Aber: Mehr Menschen auf weniger Raum – das führt oft zu Konflikten beim Lärmschutz, die bewältigt werden müssen.

Häuser aus Fertigteilen sind keine Lösung

Große Hoffnungen setzen die Branche und Politiker in Häuser, deren Teile in Fabriken vorgefertigt werden und in Windeseile auf dem Grundstück montiert werden. Aber auch hier dämpft Meyer die Erwartungen: „Jedes Grundstück ist anders“, und nur in den seltensten Fällen klappt Bauen ohne Verzögerung. Wächst der seltene „Trockenrasen“ auf dem Bauland, dürfen nicht einmal die Erdarbeiten starten. Fledermäuse bremsten die Arbeiten am Umbau des Sockels für das Freiheits- und Einheitsdenkmal des Bundes vor dem Schloss in Mitte. Zählen, beobachten, warten bis Schlaf- und Brutzeiten vorbei sind – bald ein Jahr dauerte es bis die Säugetiere ins Grüne umgesiedelt werden durften.

Die Sache mit der Mitbestimmung

Die größte Unwägbarkeit ist vielleicht die Mitbestimmung. Zwar ist es ein Missverständnis, dass Menschen jedes Projekt verhindern können. „Der Bauherr hat einen Rechtsanspruch zu bauen“, sagt Meyer. Aber jeder darf sich einbringen. Meyer gibt zu, dass in der Vergangenheit Behörden schon mal geneigt waren, berechtigte Bedenken gegen Bauprojekte „wegzuwürdigen“. Großlagen wie beim Bahnprojekt „Stuttgart21“ seien aber nicht deshalb entstanden, sondern wegen der fast zehnjährigen Planung: „In dieser Zeit wuchs eine neue Generation heran, die den Eindruck hatte, nie gefragt worden zu sein“, sagt Meyer. Und auch diese ging auf die Straße und protestierte. Eine Bürgerbeteiligung hatte es zwar gegeben. Und auf deren Grundlage waren Genehmigungen ergangen und der Baustart erfolgt. Aber dazwischen lagen Jahre und bevor es losging wurde nicht genug kommuniziert.

Die PR-Maschine läuft an

Eine Falle, die pfiffige Baumanager umgehen, indem sie eine regelrechte PR-Maschine anlaufen lassen lange vor dem ersten Spatenstich. Die ersten Skizzen des Projekts, jeder Trippelschritt wird lautstark verbreitet. Strategen der Stadtentwicklungs-Politik begleiten das: Umbau und Erneuerung der beiden heruntergewirtschafteten Teilstädte Ost- und Westberlin nach dem Fall der Mauer, bei denen Großprojekte im Herzen der Stadt wie der Potsdamer Platz entstanden, wären niemals gelungen in so kurzer Zeit ohne das „Stadtforum“ des damaligen Senators Volker Hassemer. Fast im Wochentakt versammelte Hassemer Experten und Initiativen in der Verwaltung und diskutierte den Umbau der Stadt in der Friedrichstraße, am Alexanderplatz, am Pariser Platz.

Warum Berlins Regierender Bürgermeister scheiterte

„Ich habe es gehasst, weil es Freitagnachmittags war“, sagt der damalige Koordinator des Regierungsumzugs Manfred Rettig. Aber als er später das Schloss errichtete, folgte er Hassemers Beispiel mit einer Serie öffentlicher Veranstaltungen vor jedem Schritt der Baumaßnahmen, Tage der offenen Baustelle für die Bürger inklusive. Nur so nehme man die Menschen mit – und fange die Kritiker ein. Viel Aufwand. Und doch wenig gemessen am Zeitgewinn: Bürger, die sich übergangen fühlen, können Projekte durch Proteste um Jahre zurückwerfen. In Berlin stoppten sie sogar ein Herzensprojekt des Regierenden Bürgermeisters in dessen eigenem Wahlbezirk Tempelhof: Michael Müller (SPD) durfte die Ränder des Tempelhofer Feldes in Berlin nicht bebauen, weil ein Volksentscheid seine Pläne vereitelte. Später gab er zu, er habe das Projekt schlecht kommuniziert.

Im Jahr 2001 entstand die Idee – 2016 wurde die Elbphilharmonie fertig gestellt, sechs Jahre später als geplant. Noch dramatischer explodierten die Baukosten: von 77 auf 866 Millionen Euro. 150 Fenster mussten ersetzt werden – anhaltender Streit zwischen Architekten und dem Baukonzern über die Planung waren weitere Gründe.

SCHNELLER BAUEN VON STAATS WEGEN

Im Juli hat das Bundeskabinett auf Antrag von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) das „Planungsbeschleunigungsgesetz“ beschlossen. Unter diesem Wortungetüm verhandelt der Bund mit den Verbänden seine „Strategie für mehr Tempo bei Infrastrukturprojekten“. Konkret im Gespräch sind:

EIN AMT FÜR ALLE
Bei neuen Bahntrassen sollen die (Planfeststellungs-)Verfahren beim Eisenbahnbundesamt gebündelt werden. Bisher sind 33 regionale Ämter zuständig, was vor allem überregionale Planungen ausbremst.

EXTERNE MANAGER
Externe Projektmanager sollen bei Großprojekten Behörden entlasten. Die Verfahren sollen bei ihnen zusammenlaufen und sie sollen vorbereitende Maßnahmen wie Erörterungstermine oder öffentliche Auslegung von Unterlagen übernehmen und zwischen den Beteiligten koordinieren.

EINE INSTANZ, EIN GERICHT

Das Bundesverwaltungsgericht soll als erste und einzige Instanz für Klagen über den Bau ausgewählter Bahnstrecken oder Fernstraßen zuständig werden. Örtliche Gerichte wären nicht mehr zuständig.

FREIRAUM BEI ERSATZBAUTEN
Bei Ersatzbauten wie der Elsenbrücke (siehe nebenstehenden Text) oder der Erneuerung von bestehenden Autobahnen sollen Planfeststellungsverfahren mit Anhörungen entfallen. Der Verband „Deutsches Verkehrsforum“ wünscht sich das auch bei kleineren Neubauten.

KEINE DOPPELTEN VERFAHREN
Verfahren zur Raumordnung und Planfeststellung sollen harmonisiert werden, damit einige Prüfungen, beispielsweise zur Umweltverträglichkeit einer Autobahn, nicht zweimal durchgeführt werden wie bisher.

TEILARBEITEN VOR BESCHLUSS
Die Durchführung von „Teilmaßnahmen“ wie der Räumung von Kampfmitteln sollen schon vor dem Beschluss einer Baumaßnahme erlaubt werden.

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