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Grünen-Fraktionsvize Schmidt: "Das Mandat wird schleichend verändert"

Frithjof Schmidt, stellvertretender Fraktionschef der Grünen im Bundestag, fordert eine differenzierte Bewertung des Bundeswehreinsatzes.

Immer mehr Deutsche lehnen den Afghanistan-Einsatz ab. Das größte Verständnis zeigen ausgerechnet die Grünen-Anhänger. Sind Sie darauf stolz?

Ja, weil sich unsere Wählerinnen und Wähler bemühen, in dieser schwierigen Frage zu einem differenzierten Urteil zu kommen. Wir haben intensiver als jede andere Partei über Afghanistan debattiert und schauen sehr genau hin.

Werden Sie der Haltung Ihrer Anhänger dann auch folgen und am 21. Januar im Bundestag der Verlängerung des Mandats für den Afghanistan-Einsatz um ein Jahr zustimmen?

Im vergangenen Jahr hat die große Mehrheit unserer Fraktion nicht zugestimmt. Vor allem störte uns das sogenannte „Partnering“. Dabei begleitet die Bundeswehr die afghanische Armee in Gefechte. Das bedeutet eine Verschiebung von einem Stabilisierungseinsatz hin zu einer flächendeckenden Aufstandsbekämpfung. Auch hatten wir eine unabhängige wissenschaftliche Auswertung des Einsatzes verlangt, den die Regierung bis heute verweigert. Ich bin skeptisch, ob das neue Mandat unsere Bedingungen erfüllen wird.

Ist das „Partnering“ nicht notwendig, um afghanische Sicherheitskräfte in die Lage zu versetzen, selbst für Sicherheit im Land zu sorgen?

Es ist richtig, die afghanischen Sicherheitskräfte auszubilden. Wenn man diese Ausbildung allerdings benutzt, um mit der Bundeswehr offensiv gegen Aufständische vorzugehen, dann ist das eine schleichende Veränderung des Mandates. Wir lehnen diese Art von Kriegsführung ab und glauben nicht, dass sie Afghanistan stabilisiert.

Welche weiteren Bedingungen müsste die Bundesregierung erfüllen, damit die Grünen zustimmen würden?

Die Bundesregierung müsste einen konkreten Plan vorlegen, der den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan beginnend 2011 bis 2014 vorsieht. Es geht eben nicht nur um den Beginn des Abzugs noch im Jahr 2011, auf den die SPD so viel Wert legt. Es geht auch um die entscheidenden Schritte in der Zeit danach. Andere Länder, wie die Niederlande, Polen oder Schweden, haben sich auch solche Zeitpläne gegeben. Die Bundesregierung sollte das also auch können. Und das Entwicklungsministerium muss die Vorgabe zurücknehmen, wonach deutsche Nichtregierungsorganisationen nur dann öffentliche Mittel bekommen, wenn sie ihre Projekte im deutschen Verantwortungsbereich im Norden des Landes betreiben und mit der Bundeswehr kooperieren. Das gefährdet die Neutralität nichtstaatlicher deutscher Entwicklungsorganisationen und gefährdet Aufbauprojekte in anderen Landesteilen.

Das Jahr 2010 war für die internationalen Truppen das bisher verlustreichste in Afghanistan. Die Bundesregierung setzt nun darauf, dass 2011 die Wende bei der Sicherheitslage bringt – zu Recht?

Ich bezweifle, dass diese Wende gelingt. Selbst der Fortschrittsbericht der Bundesregierung zu Afghanistan liefert keine Belege für eine solche optimistische Bewertung. Andere, wie beispielsweise US-Thinktanks, kommen zu einer viel skeptischeren Bewertung.

In den vergangenen Jahren haben einige Grünen-Abgeordnete anders als die Fraktionsmehrheit dem Mandat zugestimmt. Müssen sie mit Nachteilen rechnen, wenn sie es diesmal wieder tun?

Nein. Wir haben einen Parteitagsbeschluss, der die Fraktion auffordert, nicht zuzustimmen. Aber es geht hier um eine Gewissensfrage. Das muss jeder Abgeordnete mit sich selbst ausmachen.

Das Gespräch führte Hans Monath.

Frithjof Schmidt (57) ist stellvertretender Fraktionschef der Grünen im Bundestag. Der Sozialwissenschaftler aus Nordrhein-Westfalen koordiniert die Außen- und Sicherheitspolitik.

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