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Grünen-Querdenker: Parteispitze bleibt bei Anti-Atom-Kurs

Ratschlag aus dem politischen Off: Mit dem Plädoyer für längere AKW-Laufzeiten hat das Grünen-Urgestein Hubert Kleinert seine Partei verärgert. Sein Interview im "Spiegel" rief am Montag heftige Reaktionen hervor. Die Grünenspitze will keinesfalls vom Atomausstieg abrücken.

Hubert Kleinert gehörte zu den Gründern der Grünen in Hessen, war Weggefährte von Joschka Fischer, später Grünen-Landeschef und mehrere Jahre Abgeordneter des Bundestages. Heute lehrt Kleinert als Politikprofessor an der Fachhochschule für Verwaltung des Landes Hessen. Nun hat sich der 54-Jährige mit dem Plädoyer für längere Laufzeiten von Atomkraftwerken wieder in die Politik eingemischt. Die Parteispitze reagierte verärgert und stempelte Kleinert als Außenseiter ohne Sachkenntnis ab.

Auslöser der Aufregung war ein Interview, das Kleinert dem "Spiegel" gab. Dort rät er seiner Partei, sie sollte "bei der Nutzung vorhandener Atomanlagen zu einer verantwortungsethischen und rationalen Bewertung" kommen. "Eine Verlängerung der Laufzeiten für moderne Atomkraftwerke scheint mir bei rationaler Risikoabwägung durchaus diskutabel", betonte Kleinert. Auch dem Vorstoß, Milliardengewinne aus dem Weiterbetrieb von Reaktoren in den Ausbau erneuerbarer Energien zu stecken, kann Kleinert Positives abgewinnen. Das könne man "doch nicht einfach abtun", betonte er.

Bütikofer: "Grüne Politik wird nicht von der Seitenlinie gemacht"

Grünen-Chef Reinhard Bütikofer tat Kleinerts Äußerungen als "Ratschläge eines ehemaligen grünen Granden aus dem politischen Off" ab. "Das muss man vielleicht aushalten, aber nicht zu ernst nehmen", sagte Bütikofer in Berlin. Er fügte hinzu: "Grüne Politik wird nicht von Kommentatoren an der Seitenauslinie gemacht." Die Grünen blieben beim Atomausstieg, der aus Sicherheitsgründen eher noch beschleunigt werden müsse. Die Grünen setzten auf die "maximale Nutzung erneuerbarer Energien".

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast nannte Kleinerts Position, Atom-Zusatzgewinne für erneuerbare Energien zu verwenden, "naiv". Kleinerts Äußerung zeige, dass auch ein Politikprofessor grüner Herkunft Dinge sagen könne, "ohne Sachkenntnis zu haben". Bereits heute machten die Energieunternehmen satte Gewinne. Diese würden aber nur zu einem kleinen Teil in die regenerativen Technologien investiert. "Wir sind sehr gut beraten, wenn wir beim Atomausstieg bleiben", betonte Künast.

Grüne Jugend ist entsetzt

Der Parteinachwuchs nahm Kleinerts Thesen "mit Entsetzen" auf. Kleinert habe damit den Grünen "massiv geschadet". "Das hätten wir von einem so honorablen Mitstreiter wie Dir nicht erwartet", erklärte die Grüne Jugend in einem offenen Brief. Die jungen Grünen warfen Kleinert eine "offene Kapitulation vor der Atomlobby" vor. Sie bezeichneten die Risiken der Atomkraft als unkalkulierbar und verwiesen zudem auf die ungeklärte Endlagerfrage. Auf einem Parteitag würde Kleinert nach ihrer Ansicht mit seiner Haltung "kläglich scheitern".

Kleinert erinnert mit seiner Haltung an den SPD-Vordenker Erhard Eppler. Der hatte jüngst vorgeschlagen, die Atommeiler länger laufenzulassen, wenn der Bau neuer Kraftwerke per Grundgesetz ausgeschlossen wird. Kleinert nannte die Haltung verständlich, wandte sich als Politikwissenschaftler aber dagegen. Die Verfassung sollte nach seiner Ansicht "nicht überfrachtet werden mit Einzelfragen der politischen Gestaltung".

Stefan Uhlmann (ddp)

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