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Guido Westerwelle: Ein Abschied ohne Scherben

Zehn Jahre und ein paar Tage war Guido Westerwelle der Vorsitzende der FDP, zuvor sieben Jahre lang ihr Generalsekretär. Am Freitag hat er sich aus dem Amt verabschiedet und das Ruder an Philipp Rösler übergeben. Wie hat ihn die Partei verabschiedet?

Von
  • Hans Monath
  • Antje Sirleschtov

Welche Bilanz als FDP-Vorsitzender hat Westerwelle auf dem Parteitag gezogen, was hat er der Partei ins Stammbuch geschrieben?

Seine eigene Bilanz fällt deutlich positiv aus. „Wir haben mehr richtig gemacht, als wir falsch gemacht haben“, sagte Westerwelle bei seiner letzten Rede als Parteichef. Dennoch gestand er auch Fehler ein, obwohl er sie konkret nicht benannte. Seine Amtszeit an der Parteispitze sei „ein Auf und Ab, ein Wechselbad der Gefühle“ gewesen, sagte Westerwelle. Und „wer so lange eine Partei führt, der macht auch Fehler“. Niemand wisse besser als er, was nicht gelungen sei. Dafür entschuldigte sich der scheidende Parteivorsitzende.

In seiner gut einstündigen Rede konzentrierte sich Westerwelle in weiten Teilen auf bekannte liberale Grundpositionen und deren Umsetzung in praktische Politik. Dabei nutzte er passagenweise Formulierungen, die Beobachter seiner vorangegangenen Reden bereits kannten. So seien mit dem Wirtschaftsaufschwung, steigenden Nettolöhnen und dem Abbau der Arbeitslosigkeit wichtige Dinge in der Regierungszeit von Schwarz-Gelb erreicht worden. Die FDP habe zudem die Subventionierung der Großindustrie beendet. Dies sei keine Klientelpolitik, sondern Arbeitnehmerpolitik für die Mitte in Deutschland. Mit keinem Wort erwähnte Westerwelle den Umstand, dass insbesondere er vor der Bundestagswahl den Menschen Steuersenkungen und ein „einfacheres, niedrigeres und gerechteres Steuersystem“ versprochen hatte.

Westerwelle warnte, wie er es schon so oft zuvor getan hatte, davor, liberale Grundsätze aufzugeben. Nur die FDP entscheide sich „im Zweifel für die Freiheit“, wenn in der Politik über die Zukunft von Bürgerrechten entschieden werde. Er wolle keine „Untertanen“, sagte der scheidende FDP-Chef, sondern „Staatsbürger“. In der Bildungspolitik warnte er vor „Gleichmacherei“. Es gebe keine „Einheitskinder“, weshalb man auch keine „Einheitsschule“ benötige.

Ausführlich verteidigte der Außenminister seine Amtsführung, die er als von freiheitlichen Grundlinien bestimmt beschrieb. Er richtete den Blick auf die Freiheitsbewegungen im arabischen Raum und verglich sie mit der Freiheitsbewegung in Ostdeutschland und den osteuropäischen Ländern vor zwanzig Jahren. Die umstrittene Entscheidung, sich im UN-Sicherheitsrat bei der Abstimmung über den militärischen Einsatz in Libyen zu enthalten, bezeichnete Westerwelle als „schwerste Entscheidung in meiner Amtszeit“. Ohne auf das Abstimmungsverhalten im Sicherheitsrat einzugehen, sagte Westerwelle, er stehe nach wie vor dazu, dass Deutschland sich nicht mit Soldaten in die Auseinandersetzungen einmischt. Zur Begründung sagte Westerwelle, er habe von Anfang an auf eine „politische Lösung“ gesetzt.

Am Tag seines Abschieds von der Parteispitze verzichtete Westerwelle auf eine Abrechnung mit der Partei. Minutenlang sprach er vielmehr seinen „Wegbegleitern“ Dank aus. Nur im Blick nach vorn schimmerte Enttäuschung über mangelnde Unterstützung durch. Wenn sein Nachfolger in Schwierigkeiten gelange, forderte Westerwelle die Delegierten des Parteitages auf, sollte die Partei ihn unterstützen. Eine Partei müsse manchmal nicht nur „hinter ihrem Parteivorsitzenden stehen“, sondern auch vor ihm. Er jedenfalls wolle seinem Nachfolger „nicht ins Lenkrad“ greifen, versprach er.

Wie ist der Parteitag mit dem scheidenden Parteivorsitzenden umgegangen, hat es die angedrohte Abrechnung gegeben?

Der erst vor wenigen Tagen zum Vizechef der Bundestagsfraktion gewählte Berliner Abgeordnete Martin Lindner hatte vor wenigen Tagen gefordert, der Parteitag solle schriftlich über den Verbleib Westerwelles als Außenminister abstimmen. Dem sind die Delegierten in Rostock nicht gefolgt, obwohl etliche Liberale keineswegs glücklich darüber sind, dass der Ex-Parteichef weiter das Auswärtige Amt (AA) leitet. Einen Grund dafür haben Demoskopen benannt: Westerwelle ist bei der Mehrheit der Deutschen so unbeliebt, dass er seine Partei auch dann belasten kann, wenn er sein Temperament zügelt und sich aus der Innenpolitik heraushält.

Doch schon vor der Rede hatte sich abgezeichnet, dass der Parteitag Westerwelle nicht zum Rückzug aus dem Amt drängen würde: Seine Gegner brachten nicht genug Delegiertenstimmen für einen Abwahlantrag zusammen. Mit seinem einstündigen Auftritt gelang es dem Minister dann, den Saal auch emotional zu binden. Das zeigte der minutenlange Beifall, mit dem die Liberalen seine Rede feierten. Die Botschaft war so eindeutig, dass sich bei der anschließenden Aussprache der Delegierten schnell der Saal leerte, weil keiner mehr eine Abrechnung mit Westerwelle erwartete. Kritik wurde dann tatsächlich nur noch verhalten geäußert, die Mehrheit der Redner pries Westerwelles Leistungen.

Hat der Parteitag von Rostock die Position von Westerwelle als Außenminister stabilisiert?

Seine Legitimationsbasis als Minister in der FDP ist nun breiter als vor dem Parteitag – die in der Öffentlichkeit wohl nicht. Nach seiner Rücktrittserklärung hatte nur eine Sitzung von FDP-Fraktion und FDP-Bundesvorstand ihn als Minister bestätigt. Auch der neue Parteichef Philipp Rösler hat kein Interesse daran, dass die Querelen um Westerwelle weitergehen. Selbst der Kieler Fraktionschef Wolfgang Kubicki, einer der schärfsten Kritiker der Berliner Parteiführung, forderte in Rostock ein Ende der Debatte. Viele deutsche Außenpolitiker, Wissenschaftler und Beobachter bleiben allerdings skeptisch, ob Westerwelle sein Amt künftig überzeugender ausfüllt. Selbst in den Regierungsfraktionen heißt es, der Außenminister überzeuge nicht und brauche dringend ein außenpolitisches Thema, mit dem er sich profilieren könne. Umgekehrt spottet die Umgebung des Ministers über das Gewicht der „Polenzes und Schockenhoffs dieser Erde“. Ruprecht Polenz ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Andreas Schockenhoff der für Außenpolitik zuständige Vizechef der Unionsfraktion.

Wie wird Westerwelle in die Geschichte der FDP eingehen – als Versager oder als Lichtgestalt?

Zweifellos hat der 12. FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle seiner Partei zu einem Wahlergebnis verholfen, das sie bis dahin nicht gekannt hatte. Zunächst in vielen Landtagswahlkämpfen, in denen es der FDP in seiner Amtszeit gelungen ist, überhaupt wieder in die Parlamente einzuziehen beziehungsweise in Regierungskoalitionen einzutreten. Und zuletzt beim Bundestagswahlkampf 2009, bei dem er die Partei mit 14,6 Prozent in bisher ungeahnte Höhen führte. Mit seinem unbeirrten Eintreten für die „Entlastung der Mittelschicht“ und seinen leicht verständlichen Forderungen, „wer arbeitet, muss mehr haben als der, der nicht arbeitet“, versprach Westerwelle den Wählern, die FDP werde sich in einer Koalition mit ihrer Politik absetzen von dem Regierungsstil der anderen Parteien. Er sprach damit die weitverbreitete Politikverdrossenheit der Deutschen an und suggerierte, dass die FDP sich um die Alltagsnöte der Menschen kümmern werde.

In die Geschichte wird der FDP-Chef Westerwelle allerdings auch – soweit man das überhaupt im Augenblick seines Abtretens beurteilen kann – als derjenige eingehen, unter dessen Führung die Liberalen in beispiellos kurzer Zeit das Vertrauen ihrer Wähler verspielt haben. Und zwar, weil sie auch nach eineinhalb Jahren der Regierungsbeteiligung nichts von dem eingelöst haben, was sie vor der Wahl versprochen haben. Und schlimmer noch: Weil sie, vor allem mit der Einführung der Hotel-Mehrwertsteuer-Subvention, sogar gegen die eigenen liberalen Grundsätze offene Klientelpolitik betrieben haben.

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