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Politik: Haftbefehle stürzen Libanon in Turbulenzen

Hisbollah-Führer Nasrallah lehnt Festnahme Verdächtiger im Hariri-Mord ab / Tribunal tagt dennoch

Kaum hatte Hassan Nasrallah im Fernsehen das letzte Wort gesprochen, ratterten in Beirut die Kalaschnikows in den Abendhimmel. Die Hisbollah demonstrierte ihre Kampfbereitschaft. „Keine libanesische Regierung wird die Verhaftungen durchsetzen können – in 30 Tagen nicht und in 300 Jahren nicht“, polterte der bärtige Chef-Scheich in einstündiger TV-Rede vor blauem Vorhang. Die Anschuldigungen der internationalen Fahnder wies er als „null und nichtig“ zurück und beschuldigte erneut Israel, hinter dem Attentat auf Ex-Premier Rafik Hariri im Februar 2005 zu stehen. Die vier von Den Haag gesuchten angeblichen Bombenleger dagegen hätten eine „ehrenhafte Geschichte im Widerstand gegen Israel“. Das Ganze sei ein Angriff auf die Hisbollah insgesamt, der Gerichtshof „korrupt und voreingenommen“.

48 Stunden zuvor hatte das „Sondertribunal für den Libanon (STL)“ dem libanesischen Generalstaatsanwalt ein versiegeltes Kuvert mit vier Haftbefehlen übergeben. Bekanntester Name auf der Liste ist der 50-jährige Moustapha Badreddine, ein Schwager von Imad Moughniyeh, dem langjährigen Terrorplaner der Hisbollah. Moughniyeh wurde 2008 in Damaskus getötet, wahrscheinlich von israelischen Agenten. Badreddine wiederum soll 1983 in Bombenanschläge auf die amerikanische und französische Botschaft in Kuwait verwickelt gewesen sein. Er wurde verhaftet und konnte 1990 nach dem Einmarsch von Saddam Hussein in Kuwait aus dem Gefängnis entkommen. Der zweite Beschuldigte ist Salim Ayyash, der auch einen US-Pass hat. Er soll die Terrorzelle geleitet haben, die Hariris Ermordung ausführte. Die beiden anderen Personen auf der Liste traten bisher noch nie in Erscheinung. Unbekannt ist auch, welche Beweise zum Tathergang in der 160-seitigen Anklageschrift aufgeführt sind.

Libanons Opposition unter Führung des Hariri-Sohnes Saad sprach von „einem historischen Augenblick in Libanons Geschichte, Politik und Sicherheit“. Die Zeit für Gerechtigkeit sei gekommen, hieß es in der Erklärung. Für die neue libanesische Regierung unter Ministerpräsident Najib Mikati dagegen kommen die Haftbefehle zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Seine Haltung zu Den Haag will er erst nächste Woche im Parlament darlegen, verbunden mit dem Vertrauensvotum für sein neues, von der Hisbollah dominiertes Kabinett. Wahrscheinlich wird der Premier anschließend die Polizei formell mit der Festnahme der vier Gesuchten beauftragen und nach 30 Tagen den Gerichtshof informieren, die Fahndung sei im Sande verlaufen. Der erste Terrorprozess vor einem internationalen Gerichtshof jedoch wird auf jeden Fall nach der Sommerpause beginnen – auch in Abwesenheit der angeklagten Hisbollah-Mitglieder.

Im Libanon könnte das Verfahren neue Unruhen zwischen Sunniten und der Hisbollah auslösen. Die arabischen Schutzmächte der beiden Lager allerdings wollen eine neuerliche Eskalation vermeiden. Denn Syriens Präsident Baschar al Assad, der die Hisbollah protegiert, sieht sich einem Volksaufstand gegenüber. Und Saudi-Arabiens König Abdullah, der Saad Hariri unterstützt, hat mit den Nachbarn Jemen und Bahrain zu tun.

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