zum Hauptinhalt
Ein ausgebranntes Auto in einer Vorstadt von Haifa.

© dpa

Update

Haifa: Großbrände in Israel - Palästinenser weisen Vorwürfe zurück

Israels Premier Netanjahu spricht bei den Großbränden wie jetzt in Haifa von Terror – und meint die Palästinenser. Darin sehen manche Hetze.

Erst am Freitagmorgen ist Yael Hammer in ihre Wohnung in Haifa zurückgekehrt. Der Strom fließt wieder, nur das Wasser bleibt noch immer kalt. Von ihrem Balkon aus blickt sie nun auf das, was mal ein Garten war. „Die Bäume, die Pflanzen, das Gras, alles ist weg, alles ist schwarz. Überall ist noch dicker Rauch in der Luft, es stinkt und der Wind ist fürchterlich“, berichtet sie am Telefon. Im Hintergrund läuft das Radio. „Ich höre die ganze Zeit, wie die Lage ist. Ständig wird durchgesagt, wie wir uns verhalten sollen.“ Denn noch immer ist die Gefahr nicht gebannt. Immer wieder brechen neue Feuer aus. Hammer, Mitte 70, hat Glück gehabt. Das Feuer hat das Gebäude, in dem sie wohnt, nicht erreicht. Am Tag zuvor konnte sie sich dessen noch nicht sicher sein.

Wie mehr als 70 000 andere Menschen hatte sie am Donnerstag Haifa verlassen. Auch die Universität und zwei Gefängnisse wurden evakuiert. Am Nachmittag, als die Flammen ihrem Haus immer näher kamen, packte Hammer ihre Tasche. Dinge, die man für eine Nacht eben so braucht, sagt sie. Dann fuhr sie zu Verwandten in ein Dorf außerhalb Haifas. „Panik entstand nicht, wir waren sehr gut informiert. Aber überall war Stau. Alle waren auf der Flucht und keiner wollte sein Auto mit Benzin zurücklassen“, erzählt sie. In Haifa wurde am Donnerstag der Notstand ausgerufen. 350 Feuerwehr- und Rettungsleute waren im im Einsatz. Medienberichten zufolge wurden bisher 37 Häuser stark beschädigt, mehr als 100 Menschen kamen mit Rauchvergiftungen ins Krankenhaus.

Hunderte Bewohner mussten ihre Häuser verlassen

Sogar die Palästinensische Autonomiebehörde bot ihre Hilfe an und entsandte vier Feuerwehrteams. Auch Russland, die Türkei, Griechenland, Kroatien, Italien und Zypern schickten Löschflugzeuge. Nun werden noch zwei Helikopter aus Ägypten und Feuerwehrteams zu Boden aus Jordanien erwartet. Aus den USA sollte im Laufe des Freitags der „Supertanker“ ankommen, eine Boeing 747, die 74 Tonnen Wasser transportieren kann.

In der Nacht zum Freitag konnten einige Feuer in Haifa unter Kontrolle gebracht werden. Doch aufgrund der starken Winde breiten sich immer wieder neue Brände aus – nicht nur in Haifa, sondern an vielen anderen Orten in Israel, auch in den Hügeln um Jerusalem. In der Nacht zum Freitag wurde das Dorf Bei Meir nahe Jerusalem evakuiert, hunderte Bewohner mussten ihre Häuser verlassen, mehr als zehn Gebäude fingen Feuer. Am Freitagnachmittag gaben die Behörden dann für die Küstenstadt Haifa vorsichtige Entwarnung. Medienberichten zufolge durften dort alle Einwohner zurück in ihre Häuser.

Der November ist außergewöhnlich trocken, seit Wochen wartet das Land auf Regen, die Luftfeuchtigkeit liegt bei unter zehn Prozent. „Die kommenden Tage sehen nicht besser aus. Der Luft kommt von Osten, also aus der Wüste“, sagt der Meteorologe Noah Wolfson. Eine weggeworfene Zigarette, ein nicht ganz erloschenes Lagerfeuer oder Grillen im Freien reichen bereits aus, um einen Waldbrand zu entzünden. So geschah es bereits vor sechs Jahren, als eines der größten Feuer in der Geschichte des Landes im Karmel-Gebirge bei Haifa wütete. Damals brannten die Wälder vier Tage lang, 42 Menschen kamen dabei ums Leben. Erst mit Löschflugzeugen aus den USA konnte die Situation unter Kontrolle gebracht werden.

„Es ist davon auszugehen, dass die Fälle von Brandstiftung nationalistisch motiviert waren.“

Doch Premierminister Benjamin Netanjahu glaubt nicht, dass diesmal allein Trockenheit und Fahrlässigkeit Ursachen für die Brände im ganzen Land sind. Er spricht bereits von Terror: „Ich will es so klar wie möglich sagen: Jegliches Feuer, das auf Brandstiftung zurückzuführen ist, oder auf die Anstachelung zur Brandstiftung, ist in jeglicher Hinsicht Terrorismus, und wir werden entsprechend damit umgehen“, sagte er bei einem Besuch in Haifa am Donnerstag. „Jeder, der Teile von Israel abbrennt oder es versucht, wird mit aller Härte bestraft.“ Polizeichef Roni Alscheich sagte: „Es ist davon auszugehen, dass die Fälle von Brandstiftung nationalistisch motiviert waren.“ Nach Angaben der Polizei wurden bis Freitagvormittag bereits zwölf Verdächtige festgenommen.

Der Minister für Innere Sicherheit, Gilad Erdan, sagte Medienberichten zufolge, man habe Benzin für die Brandstiftung in Zichron Jaakov gefunden. In dem Ort 30 Kilometer südlich von Haifa, brannten in den vergangenen Tagen 30 Häuser. Derzeit konzentriere sich die Arbeit darauf, Menschenleben zu retten, doch unter den Feuerwehr- und Rettungsleuten herrsche Konsensus, dass es sich um Brandstiftung handele.

Israelische Medien sprechen bereits von einer „Feuer-Intifada“ von Palästinensern. Deren Vertreter weisen solche Anschuldigungen zurück. Ein israelischer Oppositionspolitiker nannte sie am Freitag „wilde Hetze“.

Während arabische Nachbarstaaten Unterstützung schicken, ist die Freude bei manchen in der arabischen Welt über die Brände in Israel groß. Unter dem Hashtag #Israelisburning feiern in den sozialen Netzwerken einige, dass das Land in Flammen steht. Manche, darunter islamische Prediger, bringen die Brände mit einem Entwurf für ein neues Gesetz in Verbindung, das die Muezzin-Rufe über Lautsprecher in Israel verbieten soll. Über den Entwurf wird voraussichtlich nächste Woche erstmals abgestimmt werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false