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Stephan B. vor Gericht in Magdeburg. Er selbst hat sich als antisemitischen Gewalttäter dargestellt.

© Ronny Hartmann/dpa

Update

Halle-Attentäter leugnet vor Gericht Holocaust: Verteidiger plädieren auf „vermindert schuldfähig“

Zum Schluss des Verfahrens um den Angriff auf die Synagoge in Halle erhielt der angeklagte Stephan B. das Wort – und nutzte dies für antisemitische Propaganda.

Die Verteidiger des Attentäters von Halle halten ihren Mandanten für vermindert schuldfähig - der angeklagte Stephan B. selbst spricht von einem "Schauprozess" gegen ihn. Am Mittwoch plädierte Hans-Dieter Weber, der Anwalt des Angeklagten, vor dem Oberlandesgericht Naumburg: Der Lebenslauf des Angeklagten sei durch "zunehmende soziale Isolation" gekennzeichnet, man möge sich fragen, ob "ein ähnlicher Fall ohne krankhaften Befund bekannt ist".

Ein Psychiater hatte B. im Laufe des Prozess als schuldfähig eingestuft, auch wenn der Angeklagte offenbar an die von ihm selbst vorgetragenen Verschwörungsideologien glaube.

Stephan B. wird unter anderem zweifacher Mord und 68-facher Mordversuch am 9. Oktober 2019 vorgeworfen. B. hat schon zu Prozessbeginn im Sommer 2020 eingeräumt, dass er in der Synagoge von Halle (Saale) Juden habe töten wollen. Später erschoss der heute 28-Jährige eine Passantin und einen jungen Mann in einem Dönerimbiss.

An diesem Mittwoch nun, dem 25. und letzten Prozesstag vor der bald geplanten Urteilsverkündung, erklärte B. in seinem Schlusswort: Das Verfahren sei ein "Schauprozess" und das Land steuere auf einen Bürgerkrieg zu. In seiner Schlussbemerkung leugnete B. den Holocaust, was umgehend Protest der Nebenklage auslöste.

Urteilsverkündung für den 21. Dezember geplant

An die Vorsitzende Richterin gewandt, forderten die Anwälte der Opfer des Attentäters: "Protokollieren Sie das!" Ein Anwalt der Opfer rief: "Das ist eine Straftat, dafür soll er noch mal sitzen!" Richterin Ursula Mertens sagt zu B.: "Holocaust-Leugnung ist ein Straftatbestand, ich habe es Ihnen erklärt." Mertens unterbrach die Sitzung, Stephan B. muss mit einer Anzeige rechnen.

Onur Özata, der Nebenklageanwalt des von B. beschossenen Mitarbeiters des "Kiez-Döner", bezeichnete das Verfahren grundsätzlich als sorgfältig und souverän geführt.

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Zuvor hatte B.s Anwalt Weber in seinem Plädoyer gesagt, der Angeklagte habe "zu keinem Zeitpunkt die Absicht bestritten, dass er in die Synagoge eindringen wollte, um die Menschen dort zu töten." Doch "glücklicherweise konnte er das nicht realisieren". Auch Verteidiger Weber lobte das Verfahren als fair, er sprach Opfern und Hinterbliebenen sein Mitgefühl aus. Für seinen Mandanten B. forderte Anwalt Weber ein "gerechtes Urteil".

B. hatte aus seinem Antisemitismus und seiner Bereitschaft zu Mord keinen Hehl gemacht. Die Bundesanwaltschaft forderte vergangene Woche eine lebenslange Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung, die Ankläger wollen zudem die besondere Schwere der Schuld feststellen lassen, was eine Haftentlassung nach 15 Jahren unwahrscheinlich macht. Die Nebenklageanwälte schlossen sich dem an. Sie hatten Angehörige der Getöteten, Besucher der Synagoge, beschossene Polizisten und Passanten vertreten.

Für den 21. Dezember ist die Urteilsverkündung geplant. Der Prozess findet nicht im für Halle (Saale) zuständigen Landgericht in Naumburg, sondern aus Sicherheits- und Platzgründen in Magdeburg statt.

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