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Altkanzlerin Angela Merkel.

© dpa / Christoph Soeder

Update

„Halte ich für falsch“: Ex-Kanzlerin Merkel kritisiert Kanzlerkandidat Merz scharf

Nach der gemeinsamen Abstimmung von Union, FDP und AfD meldet sich die frühere Bundeskanzlerin zu Wort. Sie kritisiert den Wortbruch von CDU-Chef Merz – und erhält Zuspruch von SPD und Grünen.

Stand:

Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die gemeinsame Abstimmung der AfD mit FDP und Union kritisiert. Die CDU-Politikerin forderte die demokratischen Parteien auf, über parteipolitische Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten.

In einem Statement, das die Kanzlerin a. D. am Donnerstag auf ihrer Webseite veröffentlichte, erinnerte sie CDU-Chef Friedrich Merz an seine Rede vom 13. November im Bundestag. Damals, nach dem Bruch der Ampel-Regierung, hatte der Kanzlerkandidat der Union im Bundestag erklärt, es dürfe nicht zu Zufallsmehrheiten mit der AfD kommen. SPD, Grüne und Union sollten deshalb nur vorab abgestimmte Gesetzesentwürfe zur Abstimmung bringen.

„Dieser Vorschlag und die mit ihm verbundene Haltung waren Ausdruck großer staatspolitischer Verantwortung, die ich vollumfänglich unterstütze“, erklärte Merkel am Donnerstag. Weiter distanzierte sie sich von der Abstimmung, bei der am Mittwoch Union, FDP und AfD für einen Entschließungsantrag der Konservativen zur Migration gestimmt hatten.

Merkel fordert maßvollen Ton in Debatte

„Für falsch halte ich es, sich nicht mehr an diesen Vorschlag gebunden zu fühlen und dadurch am 29. Januar 2025 sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen“, erklärte Merkel am Donnerstag.

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Merkel, die von 2005 bis 2021 Bundeskanzlerin in Deutschland war, forderte die Parteien stattdessen zur Zusammenarbeit auf: Es ist „erforderlich, dass alle demokratischen Parteien gemeinsam über parteipolitische Grenzen hinweg, nicht als taktische Manöver, sondern in der Sache redlich, im Ton maßvoll und auf der Grundlage geltenden europäischen Rechts, alles tun, um so schreckliche Attentate wie zuletzt kurz vor Weihnachten in Magdeburg und vor wenigen Tagen in Aschaffenburg in Zukunft verhindern zu können“, schrieb die 70-Jährige in ihrer Erklärung.

SPD und Grüne danken Merkel – Wegner für Kompromiss

Reaktionen auf das Statement folgten rasch. „Sie hat offensichtlich den Eindruck gewonnen, sie müsse ihren Nachfolger Friedrich Merz an seine staatspolitische Verantwortung erinnern“, sagte SPD-Chefin Saskia Esken vor Journalisten in Berlin: „Ich bin ihr sehr dankbar dafür.“ Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) reagierte ebenfalls. Auf der Plattform X schrieb er: „Anstand“.

Auch bei den Grünen begrüßte man Merkels Einlassung. „Wie klar und präzise sie Friedrich Merz auseinandernimmt, spricht Bände“, erklärte Parteichef Felix Banaszak auf X: „Es ist traurig, dass in der Unionsspitze der Wunsch nach Abgrenzung zu ihr größer zu sein scheint als gegenüber der AfD“.

Andere Spitzenpolitikerinnen der Partei dankten Merkel. „Ganz herzlichen Dank für diese klaren Worte!“, schrieb die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge auf der Plattform. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Partei, Irene Mihalic, glaubt: „Unter Angela Merkel wäre der Damm nicht gebrochen.“

In der Unionsspitze weist man die Kritik der früheren Kanzlerin zurück. „Ich halte es für richtig, dass wir gestern die beiden Anträge zur Abstimmung gestellt haben“, sagte Thorsten Frei bei „Welt TV“. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion bekräftigte, am Freitag über das Zustrombegrenzungsgesetz beraten und entscheiden zu wollen. Den Namen Merkels nahm Frei im Interview nicht in den Mund.

„Wir schätzen Angela Merkel und kennen ihre Einschätzung zur Migrationspolitik“, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann im Gespräch mit der „FAZ“. Der Merz-Vertraute verteidigte das Vorgehen seines Parteichefs. „Diejenigen, die heute in Verantwortung stehen, müssen jedoch auch auf die aktuelle Sicherheitslage und die furchtbaren Ereignisse in Magdeburg und Aschaffenburg reagieren“, sagte Linnemann.

Sein Parteifreund Kai Wegner rief Frei und den Rest der Fraktion dagegen zu einem Kompromiss mit SPD und Grünen auf: „Die Verantwortung der demokratischen Mitte ist es, nach Möglichkeit bis Freitag eine gemeinsame Lösung zu finden“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister am Donnerstag im Abgeordnetenhaus: „Das ist mein Appell auch an die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.“

Auch Peter Altmaier, ehemals Kanzleramtschef und Wirtschaftsminister unter Merkel, fordert gemeinsame migrationspolitische Maßnahmen Opposition und Regierung. „Dazu mahnt uns Angela Merkel mit Fug und Recht“, schrieb der CDU-Politiker auf X: „Noch ist es nicht zu spät.“

Drei Wochen vor der Bundestagswahl distanziert sich Merkel damit deutlich vom Kanzlerkandidaten der Union. Bei der Abstimmung am Mittwoch waren mehrere Unions-Abgeordnete der Abstimmung ferngeblieben, darunter auch die langjährige Merkel-Vertraute Monika Grütters. Die frühere Kulturstaatsministerin erklärte gegenüber dem Tagesspiegel, eine rote Linie sei überschritten: „Ich ertrage diese Nähe zur AfD nicht.“

Die AfD wiederum sieht Merz durch den Eingriff von Merkel in die Debatte beschädigt. „Es überrascht mich nicht, dass Frau Merkel ihrem Nachfolger die Hacke ins Kreuz haut“, sagte Parteichefin Alice Weidel der Deutschen Presse-Agentur. Der Europa-Abgeordnete Maximilian Krah hatte zuvor auf der Plattform X geschrieben: „Angela Merkel stößt Merz den Dolch in den Rücken.“

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