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Hamburg

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Hamburg: Vorsicht Hochspannung

Größtes Hindernis bei den Koalitionsgesprächen von CDU und Grün-Alternativer Liste in Hamburg ist das Kohlekraftwerk Moorburg. GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch will dem Druck aus der Wirtschaft trotzen.

Nach einer kurzen Atempause während der Ostertage werden diese Woche in Hamburg die Koalitionsgespräche zwischen CDU und Grün-Alternativer Liste (GAL) fortgesetzt. Nach den ersten beiden Verhandlungsrunden zeichnet sich ab, dass ein Ja oder Nein zum Kohlekraftwerk Moorburg zur zentralen Frage für das Zustandekommen der ersten schwarz-grünen Koalition auf Länderebene wird.

Die Spitzenkräfte beider Parteien geben sich wortkarg dieser Tage. Allgemeines, Floskeln, ein paar Sätze über die Gesprächsatmosphäre – mehr ist den Protagonisten nicht zu entlocken. Inhaltlich gelte es noch einige dicke Bretter zu bohren, bei manchen Themen liege man doch arg weit auseinander, sagt Hamburgs GAL-Vorsitzende Anja Hajduk. Dazu gehören zum Beispiel die Bildungspolitik, die geplante Elbvertiefung, eine City-Maut, innere Sicherheit und Justiz sowie die künftige Energiepolitik. Das größte Problem dürfte dabei das Ringen um das von Vattenfall anvisierte Kohlekraftwerk mit einer Leistung von 1600 Megawatt sein, das ab 2012 Strom produzieren und für die Fernwärmeversorgung eingesetzt werden soll. Hamburgs Unternehmensvorstände haben besorgt einen Brief an Bürgermeister Ole von Beust (CDU) geschrieben: Er möge bei den Gesprächen mit der GAL Moorburg bloß nicht opfern. Vattenfall-Pressesprecherin Sabine Neumann sagte, es gebe keine Alternative zu der geplanten Doppelblockanlage, die noch auf ihre wasserrechtliche Genehmigung durch die Umweltbehörde wartet. Sie schildert das Szenario folgendermaßen: „Ohne Moorburg gehen in Hamburg zwar nicht die Lichter aus, doch viele Wohnungen würden kalt bleiben.“ Ein von der GAL in die Diskussion geführtes Gaskraftwerk sei nicht finanzierbar, da Gas zu teuer sei. Die fossile Kohle aber, die selbst Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) in der Vorwoche in Schleswig-Holstein als „unverzichtbare Übergangslösung“ bezeichnete, hat in Folge der Klimadiskussion bei der Bevölkerung Akzeptanzprobleme. Daher fürchtet Vattenfall nichts mehr als die Rote Karte für Moorburg durch einen künftigen schwarz-grünen Senat. Beobachter schlussfolgern: Das Projekt besitzt aktuell über die Stadtgrenzen Hamburgs hinaus eine Symbolfunktion für ganz Deutschland. Wird das Kohlekraftwerk gekippt, muss auch andernorts um entsprechende Neubaupläne gebangt werden. Daher ist nicht mehr auszuschließen, dass die Vattenfall-Spitze auch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel um Einflussnahme bei ihrem Parteifreund Ole von Beust bitten wird.

Da man in der Koalitionsverhandlungsrunde zu Moorburg bisher nicht vorwärts gekommen ist, wurde eine Arbeitsgruppe gebildet. Diese wird am Freitag ihre Ergebnisse dem Koalitionsgremium vorlegen. Vorher treffen sich beide Partner am Mittwoch, um über innere Sicherheit und Justiz zu reden, aber auch über die Ausländerpolitik. Die GAL erwartet hier Zugeständnisse von der CDU, die zwar im Bereich Integration zuletzt mehr angeschoben hat, doch im Flüchtlingsbereich und bei Abschiebungen durch einen meist kompromisslosen Kurs aufgefallen ist.

Hamburgs Innensenator Udo Nagel (parteilos) gilt als Vertreter einer strengen „law and order“-Haltung. Unter dem zusammen mit der CDU wirkenden Innensenator Ronald Schill von der Partei Rechtsstaatliche Offensive wurden nicht nur der grüne Pfeil im Straßenverkehr und neue Uniformen für Polizeibeamte eingeführt, sondern der Bekämpfung der Drogenszene und unliebsamer Demonstrationen Vorrang eingeräumt, für die 2002 auch der damalige Polizeipräsident Nagel stand. Der frühere CDU-Justizsenator Roger Kusch, später von Hamburgs Regierungschef von Beust entlassen, hat dann mit seiner rigiden Vollzugspolitik ebenfalls einen restriktiven Kurs eingeschlagen, so dass Hamburg heute noch Haftplätze im Überschuss hat. Genauso wie beim geschlossenen Jugenderziehungsheim sind das Dinge, bei denen die GAL mit der CDU einen Richtungswechsel anstrebt.

Dieter Hanisch[Hamburg]

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