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Politik: Harte Haltung

Union wirft Rot-Grün Wahlbetrug vor – im Bundesrat will sie zuerst die Pläne für die Eigenheimzulage verhindern

Von

Von Robert Birnbaum

und Albert Funk

Der bayerische Ministerpräsident neigt nicht zu unfeinen Kraftausdrücken. Wenn Edmund Stoiber doch mal einer rausrutscht, muss er sehr ungehalten sein. „Millionen von Menschen müssen sich heute verarscht fühlen“, wütet Stoiber am Dienstag in München. Die Opposition ist sauer, weil das Finanz-Kapitel der Koalitionsverhandlungen zeigt, dass sie Recht hatte mit ihren Warnungen vor Haushaltslöchern, Blauem Brief aus Brüssel und allzu optimistischen Wachstumsprognosen. Wahlkampf-Debatten und Fernsehduelle, alles „letztlich für die Katz, wenn man die Leute in solchem Maße anlügen kann“, zürnt der Ex-Kanzlerkandidat.

Einen „vorbereiteten Wahlbetrug“ nennt CDU-Chefin Angela Merkel das Zahlenwerk von SPD und Grünen. Die Pläne der Koalition sprächen den Wahlversprechen Hohn. Vor der Wahl habe Kanzler Gerhard Schröder (SPD) Steuererhöhungen ebenso ausgeschlossen wie höhere Beiträge in der Renten- und Krankenversicherung. Jetzt komme beides, und dazu eine satte Neuverschuldung von 2,6 Milliarden Euro. Zu Strukturreformen, zum großen Wurf fehlten Kraft und Mut: „Kein einziger Punkt der rot-grünen Koalitionsvereinbarung führt zu neuen Arbeitsplätzen“, konstatiert Stoiber, der am Dienstag auf sein Bundestagsmandat verzichtete.

Wie die Union als Opposition mit den rot-grünen Plänen umgehen will, ist so richtig klar noch nicht. Am Freitag wollen die Präsidien von CDU und CSU gemeinsam beraten. Merkel kündigt zwar generell eine „sehr harte Haltung“ an. Sobald aber konkret die derzeitige Mehrheit der Unionsländer im Bundesrat ins Spiel kommt, werden die Worte weicher. Die Koalition versuche, viele ihrer Vorhaben so zu gestalten, dass die Länderkammer nicht zustimmen müsse, dämpft Merkel vorsorglich überzogene Erwartungen. Im Kreis der Unions-Länder geht man davon aus, dass Rot-Grün Vorhaben häufiger als Einspruchsgesetze, nicht als Zustimmungsgesetze einbringen wird. Zudem wird damit gerechnet, dass Gesetze so gesplittet werden, dass nur ein Teil der Zustimmung der Länder bedarf.

Einige der rot-grünen Vorhaben können die Unions-Länder ohnehin nur per Einspruch und Vermittlungsverfahren verzögern, aber nicht verhindern. Dazu gehören etwa der höhere Rentenbeitragssatz und die Erweiterung des Zahlerkreises für die Rentenversicherung. Auch die Steuerzuschläge auf Mineralöl und Gas kann der Bundesrat nicht stoppen, denn beides sind reine Bundessteuern. Aber selbst bei diesen Einspruchsgesetzen rechnet die Union damit, Druck machen zu können. Sie nimmt an, dass angesichts der knappen Stimmverhältnisse im Bundestag bei der Zurückweisung von Einsprüchen des Bundesrats die Kanzlermehrheit nicht immer sicher ist.

Bei den meisten Steuergesetzen aber, die die Bundesregierung umsetzen will, braucht sie die Union: bei der Besteuerung von Kapitalerträgen, bei den von den Grünen geforderten Änderungen bei der Kfz-Steuer, bei der Gewerbesteuer, bei den Veränderungen bei der Mehrwertsteuer, bei der erweiterten Besteuerung der Gewinne aus Aktien- und Grundstücksverkäufen, bei der Aufhebung des Bankgeheimnisses zur Erfassung von Zins- und Dividendenerträgen. Auch der Kappung der Eigenheimzulage muss der Bundesrat zustimmen. Hier legte sich Merkel fest: Das werde die Union „nicht mittragen“.

Bei anderen Projekten kann Rot-Grün hingegen auf „schwarze“ Stimmen im Bundesrat hoffen. Etwa bei der schärferen Unternehmensbesteuerung, zumal Stoiber im Wahlkampf immer wieder eine Bevorzugung von Großunternehmen angeprangert hatte. Einige CDU-Landespolitiker wie der sächsische Ministerpräsident Milbradt sind einer Mindeststeuer aufgeschlossen. Die geplante Neuaufteilung der Umsatzsteuer zu Gunsten der Kommunen, die davon mehr Kinderbetreuung finanzieren sollen, ist zustimmungspflichtig, dürften kaum auf geschlossenen Widerstand der Union treffen. Auch von den Hartz-Plänen zur Reform des Arbeitsmarktes entsprechen etliche Forderungen der Union. Dazu gehört die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe.

Unklar ist, ob die Unions-Front gegen eine Neuauflage der Vermögensteuer und eine Erhöhung der Erbschaftsteuer auch nach den Landtagswahlen im Februar in Hessen und Niedersachsen noch geschlossen stehen wird. Beides sind reine Ländersteuern, und die Landesfinanzminister haben große Etatlöcher zu stopfen. Die Bundesregierung hat die SPD-Länder zu einem Vorstoß ermutigt.

Ohnehin wird die Union die Oppositionsstrategie nicht allein bestimmen können. In fünf Ländern regiert sie mit der FDP. Der Stuttgarter Wirtschaftsminister und FDP-Vize Walter Döring kündigte schon an, die Liberalen würden diese „Machtposition“ nutzen, um eigene Akzente zu setzen. Es könne nicht sein, dass Vorschläge der Bundesregierung nur abgelehnt würden, weil sie von der Bundesregierung kämen.

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