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Zu selbstbewusst sei die Arbeitsministerin zu Werke gegangen, heißt es in der Unionsfraktion. Ursula von der Leyen habe sich schlicht nicht vorstellen können, mit leeren Händen aus dem Vermittlungsverfahren zu kommen.

© dapd

Hartz-IV-Verhandlungen: Die Arbeitsministerin muss Demut lernen

Im Hartz-IV-Poker hat Ursula von der Leyen die erste große Niederlage ihrer Karriere einstecken müssen. Das Scheitern der Gespräche schadet ihr auch in den eigenen Reihen.

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Berlin - Es klingt ein wenig trotzig, als Ursula von der Leyen (CDU) ihr Scheitern bei den Hartz-IV-Verhandlungen doch noch in einen Sieg umdeuten will. „Mein Bildungspaket ist richtig gut geworden“, erklärt die Bundesarbeitsministerin am Sonntagabend den Fernsehzuschauern bei „Anne Will“. Schließlich hätten die Ministerpräsidenten am Freitag im Bundesrat die Vorschläge der Koalition nicht abgelehnt, sondern als Verhandlungsgrundlage angenommen. „Es ist nicht gescheitert“, sagt Leyen.

Offenbar hat sich die 52-Jährige entschieden, noch einmal zu kämpfen. „Es geht hier nicht um mich. Es geht sicher auch nicht ohne mich“, sagt sie in der Talkshow. Doch seit Kurt Beck (SPD) und Wolfgang Böhmer (CDU), die beiden Ministerpräsidenten aus Rheinland- Pfalz und Sachsen-Anhalt, die Verhandlungen über einen Kompromiss für die Hartz-Gesetze übernommen haben, ist Leyen als Verhandlungsführerin der Koalition erst einmal abgemeldet. In einem Vier-Augen-Gespräch sollen die beiden voraussichtlich an diesem Dienstag ausloten, wo es Spielräume gibt.

Der Arbeitsministerin muss die vergangene Woche wie ein Albtraum vorgekommen sein. Erst in der Nacht zum Montag und dann noch mal in der Nacht zum Mittwoch war es ihr nicht geglückt, die Opposition auf ihre Seite zu ziehen. Und das, obwohl sie die Gegenseite sogar mit einem milliardenschweren Geschenk an die Kommunen gelockt hatte, nämlich der Übernahme der Grundsicherung für arme Rentner durch den Bund. Am Ende der Woche war ihr nicht nur der Schlafmangel durch die vielen Nachtsitzungen anzumerken. So bitter, enttäuscht und zuweilen auch genervt war die Ministerin bislang noch nicht zu sehen. Das Dauerlächeln, mit dem sie in den Verhandlungsrunden ihre politischen Gegner mürbe gemacht hatte, war verschwunden.

Die Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze, die das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Februar gefordert hatte, ist das wahrscheinlich wichtigste gesetzgeberische Vorhaben der Arbeitsministerin in dieser Legislaturperiode. Und es ist die erste Niederlage in der beachtlichen politischen Karriere der Niedersächsin.

Seit Leyen vor fünf Jahren den Sprung in die Bundespolitik gemacht hat, ist ihr ziemlich vieles gelungen: Als Familienministerin verpasste die CDU-Politikerin ihrer Partei ein moderneres Image, kämpfte für mehr Krippenplätze, das Elterngeld und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Für manch Konservativen in der Union war das eine Zumutung. Aber Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ ihre Ministerin gewähren, schließlich wurde der CDU dank Leyen so viel Kompetenz in der Familienpolitik zugeschrieben wie schon lange nicht mehr. Dass Merkel aber nicht immer 100-prozentig hinter ihr steht, muss Leyen klar geworden sein, als sie sich im vergangenen Jahr als künftige Bundespräsidentin wähnte. Zwei Tage lang ließ Merkel diese Spekulationen laufen, bevor sie ihren Kandidaten Christian Wulff präsentierte. Für Leyen eine herbe Enttäuschung. Auch nach ihrem jüngsten Vorstoß für eine Frauenquote in der Wirtschaft musste Leyen sich beim Kabinettsfrühstück deutliche Kritik von der Kanzlerin gefallen lassen.

Leyens Ansehen in den eigenen Reihen bekommt das Scheitern der Hartz-IV-Gespräche nicht gut. Schon sehr früh, heißt es in der Union, habe man ahnen können, dass die SPD die Hartz-Verhandlungen mit immer mehr Themen überfrachten und damit den Preis nach oben treiben wolle. „Leyen hätte das sofort offenlegen und verhindern müssen“, sagt einer aus der Unionsfraktion. Dass sie es nicht tat, schiebt mancher nun dem „übergroßen Selbstbewusstsein“ der Ministerin zu, die wohl die Hartnäckigkeit der Opposition unterschätzt habe. Dass es ihr nicht gelingen würde, im Vermittlungsverfahren ein Ergebnis zu erzielen, habe Leyen sich nicht vorstellen können, heißt es in der Union. Wo man heute übrigens nicht ohne Groll darauf hinweist, dass der Preis, den man für den politischen Schaden zahlen musste, unangemessen hoch sei. Schließlich verenge das Milliardengeschenk an die Kommunen den finanziellen Gestaltungsspielraum von Schwarz- Gelb in dieser Legislaturperiode gewaltig. Und das, wo man teure Vorhaben wie die Bundeswehrreform und eine Steuerreform noch vor sich hat.

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