zum Hauptinhalt
Ypsilanti

© dpa

Hessischer SPD-Sonderparteitag: SPD-Basis stimmt mit großer Mehrheit für Rot-Grün-Dunkelrot

Die Delegierten machen mit dem klaren Votum deutlich, dass sie mit den Linken verhandeln wollen. Andrea Ypsilanti geht gestärkt in die Gespräche. Indes hält Roland Koch eine Koalition für wenig wahrscheinlich, wie er dem Tagesspiegel sagte.

Der Sonderparteitag der hessischen SPD hat mit großer Mehrheit den Weg für eine rot-grüne Regierungsbildung mit Hilfe der Linken freigemacht. 335 der 350 Delegierten stimmten in Rotenburg an der Fulda mit Ja für Koalitionsverhandlungen mit den Grünen sowie für Unterstützungsgespräche mit der Linken. Es gab nur sieben Gegenstimmen und drei Enthaltungen. Unter den Befürwortern waren auch die Bundesministerinnen Heidi Wieczorek-Zeul (Entwicklung) und Brigitte Zypries (Justiz).

In dem angenommenen Leitantrag heißt es, Hessen brauche den Politikwechsel. Die Linke trete für Demokratie und Menschenrechte ein und habe sich ausdrücklich von jeglicher Form der Diktatur distanziert. Damit seien die Voraussetzungen für die Aufnahme von Gesprächen mit der Linkspartei gegeben.

Koch: Wortbruch funktioniert nicht

Vor der Landtagswahl im Januar hatte die Ypsilanti eine solche Konstellation ausgeschlossen. Der geschäftsführende hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) rechnet allerdings nicht mit seiner baldigen Ablösung durch Hessens SPD-Chefin. "Ich habe einen Grundoptimismus, dass der Wortbruch nicht funktioniert", sagte er im Interview mit dem Tagesspiegel am Sonntag. Wenn jetzt ein Linksbündnis die Regierung übernehmen sollte, "dann nur um den Preis eines glatten Wortbruchs - und im Bund kann sich die SPD dann alle Versprechen schenken", sagte Koch weiter. 

Ypsilanti: Zeit ist reif für einen Politikwechsel

In ihrer rede hatte Ypsilanti ihre Partei zu mutigem Handeln aufgerufen. Die SPD sei immer dann erfolgreich gewesen, wenn die nicht zaghaft, sondern selbstbewusst, mutig und offensiv in die Zukunft gegangen sei. Sie dankte ausdrücklich dem zurückgetretenen SPD-Parteichef Kurt Beck für dessen Unterstützung. Becks Rücktritt sei "politisch und persönlich tragisch" gewesen. Die Zusammenarbeit mit der Linken werde der Bundes-SPD nicht schaden, sondern könne ihr "auch Auftrieb geben", betonte sie. "Ich bin sicher, dass die Bevölkerung mittlerweile weniger Angst hat vor der Linkspartei als vor den Lehman Brothers und unfähigen Bankern." Die Zeit sei nun "reif" für einen Politikwechsel, der anders nicht durchzusetzen sei.

Die SPD-Chefin räumte in Rotenburg auch Fehler bei dem gescheiterten ersten Anlauf im März ein. Das Vorgehen im Frühjahr sei "vielleicht zu hastig" gewesen, sagte sie. Diesmal sei die Diskussion aber gründlich und breit angelegt gewesen. Im Vorfeld des Parteitages hatte die SPD unter anderem vier Regionalkonferenzen organisiert, auf denen die Parteibasis eingebunden werden sollte. Auf diesen Konferenzen sei sie auf ihrem Weg ermutigt worden, sagte Ypsilanti.

Parteivize Jürgen Walter, der sich mehrfach gegen ein Bündnis mit den Linken ausgesprochen hatte, warb für die Konstellation. "Lasst uns heute die Ampel auf Grün stellen, damit wir wieder eine Chance haben, dass dieses Land rot wird", sagte Walter. Zugleich mahnte der auch, die "eigentliche Tradition" der SPD sei, "dass wir wissen, dass soziale Moderne auf wirtschaftlichem Erfolg fußt". Walter ist in Ypsilantis möglichem Kabinett als Wirtschaftsminister vorgesehen.

Anfang November erste Ergebnisse erwartet

Die Verhandlungen sollen in der kommenden Woche beginnen. Die SPD-Landeschefin sagte harte Koalitionsverhandlungen voraus. Trotz großer programmatischer Nähe gebe es auch Differenzen. Zudem hinterlasse die Koch-Regierung "geplünderte Kassen", und die Bankenkrise werde die Steuereinnahmen schmälern. "Das wird ganz eng, da dürfen wir uns nichts vormachen." Gleichwohl sehe sie sehr gute Chancen für einen Erfolg. Die SPD werde aber nicht um jeden Preis in eine Regierung gehen; Grundlage der Verhandlungen sei ihr Wahlprogramm.

Zu den Bedingungen der SPD zählte Ypsilanti den von Linken und Grünen abgelehnten Ausbau des Frankfurter Flughafens. Als weiteren Kernpunkt nannte sie eine Energiewende. Deshalb müsse ihr Energie- Fachmann Hermann Scheer einen Posten im künftigen Kabinett erhalten. Dies kollidiert mit Ansprüchen der Grünen. Sie werde auch "mit ganz harten Bandagen" für die nordhessischen Infrastrukturprojekte - den Ausbau des Kasseler Flughafens sowie die Autobahnen A 44 und 49 - kämpfen, versprach Ypsilanti.

Über das Ergebnis sollen Parteitage von SPD und Grünen am ersten November-Wochenende befinden. Anschließend könnte sich Ypsilanti im Wiesbadener Landtag zur Wahl als Ministerpräsidentin stellen und die geschäftsführende Landesregierung ablösen. Bei geheimen Probeabstimmungen am vergangenen Dienstag  hatte sie dafür die erforderliche Mehrheit in den Fraktionen von  SPD, Grünen und Linken erhalten. Lediglich die SPD-Abgeordnete Dagmar Metzger enthielt sich bei der Abstimmung. An ihrem  Widerstand war im März ein erster Anlauf Ypsilantis gescheitert. Ohne Metzger hat sie im Landtag nur die denkbar knappe Mehrheit von einer Stimme. (ml/Tsp/AFP/dpa/ddp)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false