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Opfer oder Täter? Im Fall von Reyhaneh Jabbari gab es viele Ungereimtheiten.

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Update

Hinrichtung: Reyhaneh Jabbari gehängt - Bundesregierung kritisiert Iran

Reyhaneh Jabbari ist im Iran nach fünf Jahren in der Todeszelle gehängt worden. Die Bundesregierung kritisiert die Hinrichtung der 26-Jährigen. Die junge Frau hatte angegeben, sich gegen einen Vergewaltiger gewehrt zu haben.

An einem heißen Juli-Tag im Jahr 2007 wollte Rejhaneh Jabbari für zwei männliche Kunden eine Wohnung in Nordteheran neu dekorieren. Als die Dekorateurin dort ankam, wollte einer der Männer sie vergewaltigen. Sie wehrte sich und tötete den Mann mit einem Messer. Das ist ihre Version des Tathergangs. Die Ermittlungen der Polizei haben den von der jungen Iranerin geschilderten Ablauf allerdings nicht bestätigt. „Wir konnten keinerlei Spuren einer Vergewaltigung feststellen“, sagt Chefermittler Mohammed Hussein Schamlu. Gegen die Version von einer Vergewaltigung spreche, dass der Mann, Mortesa Sarbandi, - angeblich beim Beten von hinten erstochen wurde. Die Ermittlungen ergaben weiterhin, dass Jabbari das Messer zwei Tage vorher gekauft hatte. Dafür soll es auch Zeugen geben. Vor Gericht soll die sich heute 26-Jährige außerdem bei den Details immer wieder in Widersprüche verstrickt haben.

Reyhaneh Jabbari sagte, der Mann habe sie vergewaltigen wollen

Dafür hat ihr ehemaliger Anwalt Abdolsamed Choramschahi jedoch Verständnis. Es sei schwierig, sachlich eine Tat zu schildern, die sie traumatisiert habe. Außerdem habe sie damals in einer Stresssituation nicht mehr logisch denken können und daher auch in Notwehr einfach zugestochen. Eine Anwältin in Teheran sagt: „Das kann ich als Frau nachvollziehen, aber das Gericht muss einen Totschlag nun mal sachlich aufklären, und ihre Aussagen weisen in der Tat viele Ungereimtheiten auf.“ Wieso geht eine 19-Jährige alleine - ohne Kollegen - in die Wohnung von zwei wildfremden Männern? Im Iran zumindest völlig ungewöhnlich. Und dann solle der Mann, der sie vergewaltigen wollte, auf einmal mit dem Rücken zu ihr gebetet haben? Diese Widersprüche sprächen nicht gerade für Jabbari. „Die Frage ist daher berechtigt, ob die Frau nun Opfer oder Täterin ist“, sagte die Anwältin.

Im Gericht war auch von einer „unmoralischen Beziehung“ mit dem Opfer die Rede. Richter Hussein Tardast zufolge wäre dies nicht ihre erste Beziehung zu einem älteren Mann. Jabbari habe vor der Tat ein Wochenende mit ihrem Chef in dessen Villa am Kaspischen Meer verbracht. Außerdem soll sie - so hieß es in dem Verfahren - zum Zeitpunkt der angeblichen Vergewaltigung keine Jungfrau mehr gewesen sein. Vor der Heirat keine Jungfrau zu sein, wird in der iranischen Gesellschaft als Sünde angesehen.

Der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, Christoph Strässer, zeigte sich von der Nachricht erschüttert: "Die heute vollzogene Hinrichtung von Frau Jabbari bestürzt mich sehr und erfüllt mich mit tiefer Trauer. Mein Beileid und Mitgefühl gilt ihren Familienangehörigen", hieß es in einer Mitteilung. "In ihrer Unumkehrbarkeit ist die Vollstreckung der Todesstrafe besonders erschütternd. Zumal im Fall von Frau Jabbari Zweifel an der Durchführung eines fairen Prozesses bestanden. Die Todesstrafe ist eine unmenschliche, grausame und unmoralische Art der Bestrafung. Die Bundesregierung lehnt die Todesstrafe unter allen Umständen ab und wird sich weiter für ihre weltweite Abschaffung einsetzen."

Der Fall erregte auch im Ausland viel Aufsehen

Weil der Fall auch im Ausland für sehr viel Aufmerksamkeit gesorgt hatte, hatte die iranische Justiz auch tatsächlich versucht, eine Hinrichtung zu verhindern. Aber das konnte sie nicht alleine entscheiden. Im Iran gilt für solche Tötungsdelikte das „Ghessas-Gesetz“, wonach die Familie des Opfers ein Recht auf Vergeltung - aber auch auf Begnadigung - hat. Im Falle einer Begnadigung könne man sich dann auf einen - meistens sehr hohen - Betrag als Blutgeld einigen. In diesem Fall käme der Täter - oder die Täterin - frei. Um die Proteste im Ausland kümmerte sich das Außenministerium in Teheran. „Das Problem ist, dass der Westen weder was von den iranischen Gesetzen noch Genaueres von diesem Fall weiß“, sagte ein iranischer Gerichtsreporter. Die Reaktionen dort beruhten auf unsachlichen Aussagen. Die Entscheidung, jemanden nicht hinzurichten, liege wegen des Ghessas-Gesetzes nicht in der Hand der Justiz. Über eine Begnadigung könne laut Gesetz nur die Opferfamilie entscheiden.

Die Familie des Opfers lehnte eine Begnadigung schließlich ab

Im Fall Jabbari hat die Sarbandi-Familie aber eine Begnadigung abgelehnt. „Wir versuchen, die Familie immer noch von einer Begnadigung zu überzeugen“, sagte Parissa Ghanbari, die neue Anwältin von Jabbari vor wenigen Tagen. Auch der jetzt für den Fall zuständige Richter Moahammed Schahriari versuchte, die Hinrichtung zu vermeiden. „Wir hatten wieder zwei Treffen mit der Familie und versuchen auch über andere Kanäle, eine Begnadigung zu erreichen“, sagte der Richter. Die Kinder des Opfers fordern aber bis jetzt nicht nur Rache „für das Blut“ ihres Vaters, sondern auch für die Unterstellungen gegen ihn. Das Familienoberhaupt als Vergewaltiger darzustellen, habe den Ruf der ganzen Familie für immer beschädigt. Sie wollten einer Begnadigung nur zustimmen, wenn Jabbari die ganze Wahrheit ans Licht bringe. Auch eine illegitime intime Beziehung mit dem Vater wäre ihrer Meinung nach besser als die Vergewaltigungsvorwürfe gegen den Verstorbenen. Doch Reyhaneh Dschabbari schwieg offenbar - bis zum Schluss. Am Samstag wurde sie im Morgengrauen gehängt. dpa/AFP

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