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Todeskammer

© dpa

Nach Gerichtsurteil: Hinrichtungswelle in den USA

Noch nicht einmal drei Wochen ist es her, dass das Oberste US-Gericht die Giftspritze für zulässig erklärte und damit grünes Licht zur Fortsetzung der Exekutionen im Land gab. Und schon haben sechs Bundesstaaten eilig das Datum für eine Serie von Hinrichtungen festgesetzt.

Voraussichtlich wird es spätestens am kommenden Dienstag wieder losgehen. Dann soll nach einer siebenmonatigen Exekutionspause im Land der verurteilte Mörder Earl Lynd (53) in Georgia in die Todeskammer gebracht werden. Noch früher könnte es allerdings Earl Wesley Berry in Mississippi treffen. Gibt das höchste Gericht des Staates oder auch der Oberste Gerichtshof der Nation nicht noch anhängigen Berufungsanträgen statt, was als möglich gilt, könnte dem Sender CNN zufolge schon an diesem Montag der tödliche Giftcocktail aus der Nadel in Berrys Vene fließen. Es wäre genau an seinem 49. Geburtstag.

Wer auch immer den Anfang macht: Das Hinrichtungsmoratorium, das stillschweigend seit Ende September während der Beratungen der höchsten Richter über die Giftspritze herrschte, geht nun unweigerlich zu Ende. Texas allein hat für die kommenden Monate bereits fünf Hinrichtungen anberaumt und angekündigt, dass weitere folgen werden. Damit wäre der Staat auf dem Weg, 2008 wieder der Bundesstaat mit den meisten Exekutionen zu werden - wie im vergangenen Jahr, als 26 der insgesamt 42 Hinrichtungen in Texas erfolgten. Auch eine junge Frau, die 30-jährige Expolizistin Antoinette Frank, hat einen "Termin mit dem Henker", wie es CNN formulierte. Am 15. Juli soll sie in Louisiana für den Mord an einem Polizeikollegen und zwei weiteren Menschen mit ihrem Leben bezahlen.

Künftige Anfechtungen bleiben möglich

Auch für die beiden Häftlinge in Kentucky, deren Einspruch gegen die Giftspritze das Moratorium ausgelöst hatte, tickt die Uhr wieder. Sie hatten geltend gemacht, dass die Injektion mit drei verschiedenen Mitteln als grausame und außergewöhnliche Bestrafung gegen die Verfassung verstoße. Sie könne, wie sich bei manchen Hinrichtungen gezeigt habe, zu Todesqualen führen, wenn das erste Mittel - das Barbiturat Thiopental zur Betäubung - in einer unzureichenden Dosis verabreicht werde. Die Mehrheit der höchsten Richter folgte dem Argument nicht, ließ aber die Tür für künftige gerichtliche Anfechtungen offen.

Das gibt Gegnern der Todesstrafe die Hoffnung, dass zumindest einzelne Staaten über Alternativen zur gängigen Hinrichtungsmethode nachdenken werden. Von einem Andauern der öffentlichen Diskussion versprechen sich Organisationen wie der "Death Penalty Focus", dass das Unbehagen in den USA über die Todesstrafe an sich zunimmt. Immerhin hat sich im vergangenen Jahr erstmals bei einer Umfrage eine Mehrheit der Bevölkerung für lebenslange Haft statt Hinrichtungen ausgesprochen, wenn eine solche Alternative angeboten wird. Seit einem Rekord von 326 Todesurteilen 1995 ist die Zahl stetig zurückgegangen: 110 waren es im vergangenen Jahr.

Abschaffung der Todesstrafe nicht in Sicht

Das Todesstrafen-Informationszentrum in Washington führt den Trend zu einem großen Teil auf die wachsende Furcht zurück, dass Unschuldige hingerichtet werden könnten. Nach Angaben der Forschungseinrichtung sind mittlerweile 129 Menschen nach Jahren in der Todeszelle auf freien Fuß gesetzt worden - zuletzt ein Häftling in North Carolina am vergangenen Freitag. Vor diesem Hintergrund hatte New Jersey Ende 2007 die Todesstrafe gänzlich abgeschafft - auch ein Zeichen für den Beginn eines langsamen Bewusstseinswandels in den USA.

Aber insgesamt, darüber besteht bei Experten Einigkeit, ist ein Ende der Hinrichtungen in den USA nicht absehbar. Den UN zufolge gibt es nur noch 66 Länder, die an der Todesstrafe festhalten. Und die USA haben sich bis zu ihrem siebenmonatigen Exekutionsstopp bei der Zahl der Hinrichtungen nur von wenigen dieser Länder übertreffen lassen: von China, dem Iran, Pakistan, dem Irak und dem Sudan.

Gabriele Chwallek[dpa]

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