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Politik: Hinter den Linden: Biologisch korrekt

Manchmal brauchen sie etwas länger. Aber wenn die Schweizer was machen, dann gründlich.

Von Robert Birnbaum

Manchmal brauchen sie etwas länger. Aber wenn die Schweizer was machen, dann gründlich. Beispiel gefällig? 1981 haben die Eidgenossen in der Verfassung die Gleichstellung von Mann und Frau verankert. Daraufhin haben sich der Bundesrat - die Regierung - und das Parlament jahrelang die Köpfe zerbrochen, was das denn heißen könnte. Seit dem 23. August 1995 nun liegt er vor: Der "Leitfaden zur sprachlichen Gleichbehandlung". Das Werk lässt ahnen, weshalb seither in der Schweiz Amtshandlungen noch länger dauern und Formulare noch unverständlicher sind als andernorts. Beispiel gefällig? "Die Schweizer sind kritische Käufer." Falsch! Korrekt wäre: "Die Schweizerinnen und Schweizer sind kritische Käuferinnen und Käufer." Umständlich, also rät der Leitfaden zum geschlechtsneutralen Ausweg: "In der Schweiz wird kritisch eingekauft." Womit wir bei den Grünen wären, den Schweizern der deutschen Politik: Wenn sie was machen, dann gründlich. Jüngst beim Grünen-Länderrat in Berlin ist das zu beobachten gewesen. Drei grün bemalte Wahlurnen wandern bei Abstimmungen durch den Saal. Auf der einen prangt unübersehbar das Zeichen für "männlich", auf der anderen das Symbol für "weiblich". Auf der dritten prangt nix. Das ist wie aus dem eidgenössischen Leitfaden abgeschrieben - Gleichstellung plus geschlechtsneutrale Variante. Nur hält sich niemand dran. Delegiertinnen und Delegierte werfen munter durcheinander ihre Stimmzettel in Urne, Urnerich und Urn. Prinzipienloser Pragmatismus, nach zwei Regierungsjahren zur Gewohnheit geworden? Oder subtiles Aufbegehren gegen die Biological Correctness?

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