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Politik: Höhere Beiträge durch Hausarztmodell?

Mediziner: Vorstoß der Krankenkassen kommt Versicherte teuer / AOK: Nur sinnvoll bei spezieller Schulung

Berlin . Das von den Krankenkassen angekündigte Hausarztmodell, das Millionen von Versicherten die Praxisgebühr ersparen soll, bedeutet nach Ansicht der Kassenärzte den Verzicht auf schnelle Beitragssenkungen. Der Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Roland Stahl, sagte dem Tagesspiegel, dadurch werde „die Fähigkeit der Kassen, kurzfristig die Beiträge zu senken, reduziert“. Schließlich wirke sich eine Kostenersparnis über Hausarztmodelle allenfalls mittel- oder langfristig aus. Zudem drohe durch die Verrechnung mit der Praxisgebühr ein „Heidenaufwand“. Es sei „nicht zumutbar, wenn die Ärzte künftig noch Listen führen müssen, wer von der Praxisgebühr ausgenommen ist, wer sie bezahlen muss und wer sie zurückbekommt“.

Mit dem Verzicht auf die Praxisgebühr wollten die Kassen bei den Patienten „punkten“, nähmen dafür aber „Beitragserhöhungen“ in Kauf, meint auch der Virchow-Bund der niedergelassenen Ärzte. „Mit diesem billigen Köder sollen die Patienten auf den Leim einer Zuteilungsmedizin gehen und auf ihr Recht auf freie Arztwahl verzichten“, sagte Vizevorsitzender Hans-Martin Hübner. Den Beweis, dass der direkte Besuch beim Facharzt automatisch mehr Kosten verursache, seien die Verfechter des Hausarztmodells bislang jedoch schuldig geblieben.

Der Vorstandschef der Barmer Ersatzkasse, Eckard Fiedler, sagte, das Hausarztmodell habe keine Auswirkungen auf die Beitragssätze. Mittelfristig steige zwar die Effizienz, „das wird aber an der jetzigen Beitragssatzpolitik nichts ändern“. Das Hausarztmodell sei auch keine Maßnahme gegen die Praxisgebühr. Man nutze nur die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit, in bestimmten Fällen auf deren Erhebung zu verzichten beziehungsweise sie zu erstatten, sagte Fiedler im Deutschlandfunk. Barmer- Sprecherin Susanne Rüsberg-Uhrig sagte dem Tagesspiegel, bei dem Vorstoß gehe es nicht in erster Linie um Geld, sondern darum, mehr Qualität in die Versorgung zu bringen. Sie gab aber zu, dass eine Grupep von den Hausarztmodellen k einen finanziellen Vorteil hat: gering bemittelte Patienten, die bereits ihre Zuzahlungsgrenze erreicht haben.

DGB und Grüne begrüßten die Kasseninitiative. Sie entspreche der ursprünglichen Planung von SPD und Grünen, sagte Parteichef Reinhard Bütikofer. Diese Pläne seien von der Union im Vermittlungsausschuss blockiert worden und hätten zur Einführung der Praxisgebühr für alle geführt.

Nach Ansicht von AOK-Chef Hans-Jürgen Ahrens ist ein Hausarztmodell nur sinnvoll, wenn die Mediziner speziell geschult sind. „Allein zum Hausarzt gehen, reicht nicht“, sagte Ahrens im NDR. Vielmehr müsse ein Netz qualifizierter Hausärzte dafür Sorge tragen, dass die Versorgung tatsächlich verbessert werde – etwa indem Medikamente aufeinander abgestimmt würden und Mehrfachuntersuchungen unterblieben. Auch der Sprecher des Verbands der Betriebskrankenkassen, Florian Lanz, warnte davor, alle Hausärzte einzubeziehen. Wer auf freie Arztwahl verzichte, müsse dafür mehr Qualität bekommen, sagte er dem Tagesspiegel. „Klasse statt Masse muss das Ziel sein, nicht umgekehrt.“

Lanz widersprach der im Tagesspiegel geäußerten Einschätzung von Regierungsberater Karl Lauterbach, dass die Zahl der Kassen durch die neuen Möglichkeiten großer Anbieter sinken werde. „Um Mitgliedern in Berlin ein gutes Angebot zu machen, muss ich keine in Bayern haben.“

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