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Marina Owsjannikova spricht in einem Instagram-Video über ihren Protest.

© Marina Owsjannikova via REUTERS

Update

„Ich bin jetzt der Feind Nummer Eins hier“: Russische TV-Mitarbeiterin sorgt sich um ihre Sicherheit

Marina Owsjannikowa, die vor laufender Kamera gegen den Ukraine-Krieg protestierte, sieht sich nicht als Heldin. Sie hofft, dass ihre Aktion nicht umsonst war.

Die russische TV-Mitarbeiterin, die vor laufender Kamera gegen den Krieg in der Ukraine protestiert hat, zeigt sich äußerst besorgt um ihre Sicherheit. „Ich glaube an das, was ich getan habe, aber ich verstehe jetzt das Ausmaß der Probleme, mit denen ich fertig werden muss“, sagte Marina Owsjannikowa am Mittwoch in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters. „Und natürlich sorge ich mich extrem um meine Sicherheit.“

Sie habe aber nicht vor, aus Russland zu fliehen, und hoffe, dass sie nicht strafrechtlich verfolgt werde. Owsjannikowa war am Dienstag mit einem Bußgeld von 30.000 Rubel (rund 250 Euro) belegt worden, nachdem das Moskauer Präsidialamt wenige Stunden zuvor ihren Protest als Rowdytum kritisiert hatte.

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Gegenüber dem deutschen Nachrichtenmagazin „Spiegel“ erklärte sie, wie sie die Protestaktion überhaupt erst umsetzte. Zunächst habe sie zu Beginn ihrer Dienstschicht im Studio beobachtet, wo genau die Kameras stehen, wie sie sich bewegen und wo sie sich hinstellen könne.

„Ich hatte große Angst, am Ende könnte alles umsonst sein, wenn mich keiner zu sehen bekäme“, sagte Owsjannikowa dem „Spiegel“. Dann sei sie schnell ins Studio gelaufen, „an dem Polizisten vorbei, der immer Dienst hat bei uns“. Der habe nicht mehr reagieren können.

Unmittelbar nach der Aktion sei sie wieder zu ihrem Arbeitsplatz zurückgekehrt und habe gewartet. „Dann kamen viele Chefs zu mir – alle fragten: 'Waren Sie das?' Keiner wollte das so recht glauben.“

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Durch die Aktion gebe es private Probleme, schilderte Owsjannikowa zudem. Ihr Sohn habe ihr vorgeworfen, sie habe das Leben „von uns allen zerstört“. „Es kann alles passieren“, sagte Owsjannikowa. Sie habe den Punkt überschritten, an dem es kein Zurück mehr gebe. „Ich bin jetzt der Feind Nummer Eins hier.“

Owsjannikowa hatte sich am Montagabend während einer Nachrichten-Live-Sendung des staatlichen TV-Senders Kanal Eins mit einem Plakat hinter die Moderatorin gestellt, auf dem sie zum Ende des Kriegs in der Ukraine aufruft und vor Propaganda warnt. „Ich fühle mich absolut nicht als Heldin“, sagte sie in dem Reuters-Interview weiter. Sie hoffe aber, dass sie das Opfer nicht umsonst gebracht habe und dass die russische Bevölkerung Propaganda genauer hinterfrage und andere Informationsquellen finde.

Beifall in der Ukraine. Der Protest der Journalistin Marina Owsjannikowa im russischen Staatsfernsehen gegen den Krieg und Putins Propaganda wird von Ukrainern begrüßt.
Beifall in der Ukraine. Der Protest der Journalistin Marina Owsjannikowa im russischen Staatsfernsehen gegen den Krieg und Putins Propaganda wird von Ukrainern begrüßt.

© AFP

Owsjannikowa droht neben der bereits verhängten Geldbuße noch eine weitere Strafe. Es seien Ermittlungen wegen der angeblichen Verbreitung von Lügen über Russlands Streitkräfte aufgenommen worden, meldete die Staatsagentur Tass unter Berufung auf eine Quelle bei den Ermittlungsbehörden. Befürchtet wurde, dass Owssjannikowa doch noch nach dem neuen Mediengesetz belangt werden könnte, das bis zu 15 Jahre Haft vorsieht.

Die oppositionelle Zeitung „Nowaja Gaseta“ widmete Owsjannikowa am Mittwoch ihre Titelseite. Die Zeitung druckte über die ganze Seite ein Bild von Owsjannikowa mit ihrem Plakat, das diese am Montagabend hinter der Nachrichtensprecherin des Ersten Kanals in die Kamera gehalten hatte - verpixelte darauf aber drei Mal das Wort „Krieg“. In Russland ist es Medien offiziell verboten, von „Krieg“, „Invasion“ oder „Einmarsch“ im Nachbarland Ukraine zu sprechen.

Auf Telegram beklagte die „Nowaja Gaseta“ später, dass viele Kioske sich weigerten, die Ausgabe zu verkaufen. Die Journalisten riefen ihre Leserschaft auf, sich das Blatt persönlich in der Moskauer Redaktion abzuholen, die von Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow geleitet wird. (dpa, Reuters)

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