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Die Politik debattiert über ein soziales Pflichtdienstjahr für junge Leute.

© Stefan Arend/epd

Berliner Abiturientin über Dienstpflicht: "Ich fürchte, Pflicht wäre schlecht dafür"

Was sagen junge Menschen, die von einer allgemeinen Dienstpflicht betroffen wären? Eine Berliner Abiturientin macht gleich zwei freiwillige Jahre – befürwortet aber keinen Zwangsdienst.

Marie, Sie machen gerade ein freiwilliges kulturelles Jahr und hängen dann noch ein soziales an. Die Politik denkt gerade über ein Pflichtjahr für alle nach. Wären Sie dafür?

Als Pflicht fände ich das nicht gut. Man braucht Motivation, schließlich läuft es nicht an allen Tagen gut. Ich fürchte, Pflicht wäre schlecht dafür.

Was hat Sie bewogen, gleich zwei freiwillige Jahre zu machen?

Für jedes waren die Gründe andere. Das soziale Jahr in Israel, das nächsten Monat beginnt, ist eigentlich ein Friedensdienst. Das kulturelle hat mich sehr interessiert, ich wusste gar nicht, dass es das gibt. Ich wollte ursprünglich ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Psychiatrie machen, in einem Bereich, in dem ich mich später eher nicht sehe. Ins Museum dagegen wollte ich schon als Kind. Und ich wollte Geschichte studieren.

Wollen Sie das noch?

Nein, nicht mehr. Mir hat das Jahr sehr großen Spaß gemacht, ich würde mich jederzeit wieder dafür entscheiden. Aber ich habe auch gemerkt, dass ich daraus keinen Beruf machen möchte. Ich will lieber etwas tun, das nicht so festgelegt ist. Ohne die Zeit im Museum wäre ich womöglich im falschen Studium gelandet.

Lena-Marie Vahl (18) hat im vergangenen Jahr Abitur gemacht. Seither absolviert sie ein Freiwilliges Kulturelles Jahr im Museum für Islamische Kunst in Berlin. Im September geht sie für ein weiteres Freiwilliges Jahr nach Israel.
Lena-Marie Vahl (18) hat im vergangenen Jahr Abitur gemacht. Seither absolviert sie ein Freiwilliges Kulturelles Jahr im Museum für Islamische Kunst in Berlin. Im September geht sie für ein weiteres Freiwilliges Jahr nach Israel.

© privat

Was hat es Ihnen sonst gebracht?

Ich habe viel über mich gelernt, vieles gemacht, von dem ich nicht glaubte, dass ich es könnte. Und ich wusste zuvor nichts über islamische Kultur. Durch die Arbeit im Museum für Islamische Kunst habe ich angefangen, ganz viel zu lesen, über Byzanz, das Osmanische Reich, über die Türkei, Syrien und Jemen. Ich wurde neugierig auf Architektur, auf Aleppo und Damaskus...

... Orte, die teils kurz vor der Vernichtung im Krieg stehen. Bedeutet das etwas für Ihr Verhältnis zur Politik?

Definitiv. Ich suche viel gezielter nach Nachrichten, recherchiere nach, ich habe mich über die Rolle Saudi-Arabiens in den Bombardierungen informiert. Und wenn ich jetzt pauschal etwas über „die Muslime“ hierzulande höre, bin ich, glaube ich, hellhöriger als früher.

Haben viele aus Ihrem Abiturjahrgang so etwas gemacht wie Sie?

Viele haben gleich studiert, etwa ein Drittel hat sich für „Work and travel“ entschieden, also fürs Reisen. Die wenigsten haben ein freiwilliges Jahr gemacht. Viele fanden’s gut, dass ich das machte, einige sagten mir aber, dass sie das für verschwendete Zeit hielten.

Und jetzt noch ein Jahr Israel. Warum?

Ich wollte unbedingt auch ins Ausland und eine neue Sprache lernen. Hebräisch gefällt mir sehr. Die beiden Jahre kamen zustande, weil ich mich nicht entscheiden konnte. Dass ich nach Israel mit "Aktion Sühnezeichen Friedensdienste" gehe, liegt daran, dass mir deren Ziele wichtig sind. Ich habe schon einige Sommerlager mit ASF gemacht. Ich freue mich auf die Zeit. Ein Jahr saß ich viel im Büro, habe gelesen und geschrieben. Jetzt werde ich mich um alte und behinderte Menschen kümmern. Und bin weg von zuhause.

Sie würden den Dienst also empfehlen?

Unbedingt. Das bringt einen unglaublich weiter. Ich bin aber für Freiwilligkeit. So lernt man viel mehr für sich und steht eher zu der Verantwortung, meine ich.

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