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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nimmt am Mittwoch an der Befragung der Bundesregierung im Plenarsaal im Bundestag teil.

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Update

„Habe sie bewusst jetzt gewählt“: Kanzler verteidigt Ukrainereise – und schließt Entsendung deutscher Soldaten aus

Mitten im Wahlkampf stand Olaf Scholz heute für eine Stunde im Kreuzverhör durch die Abgeordneten des Bundestages. Diese löcherten den Kanzler vor allem zur Ukraine und der Wirtschaftslage.

Stand:

Zum Auftakt der Regierungsbefragung hat Olaf Scholz (SPD) den Zeitpunkt seiner am Montag in die Ukraine unternommenen Reise verteidigt.

Ich habe sie bewusst jetzt gewählt“, sagte der Bundeskanzler am Mittwoch im Plenarsaal des Deutschen Bundestages. Das sei nach den US-Wahlen sowie dem G20-Treffen und vor dem Winter wichtig gewesen. Er habe sich zweieinhalb Stunden mit dem ukrainischen Präsidenten unterhalten und seine Unterstützung erneut bekräftigt.

In dem Gespräch mit Wolodymyr Selenskyj sei es auch um die aus der Ukraine nach Deutschland Geflüchteten gegangen. „Er hat mir gerade mitgeteilt, dass er in Deutschland und Polen eine ukrainische Behörde mit schaffen will, die die Ukrainerinnen und Ukrainer entweder bei der Rückkehr oder bei der Arbeitsaufnahme unterstützt.“ Hintergrund ist, dass in Deutschland deutlich weniger Geflüchtete arbeiten als in anderen europäischen Ländern wie zum Beispiel der Niederlande.

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Eingangs verteidigte der Kanzler zudem seine Haltung, weiter keine Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern zu wollen. Es komme jetzt weiter darauf an, „einen kühlen Kopf zu bewahren“. „Die Ukraine kann sich auf das Land verlassen, das am meisten Waffen in Europa geliefert hat“, sagte Scholz. Der SPD-Politiker verwies darauf, dass Deutschland Waffen und Munition im Wert von 28 Milliarden Euro geliefert oder zugesichert habe. Das sei „ein großes Zeichen der Solidarität“.

Scholz hatte am Samstag zu mehr Besonnenheit im Umgang mit der Situation in der Ukraine gemahnt. CDU-Chef Friedrich Merz hatte er vorgeworfen, die Nuklearmacht Russland durch die Forderung nach Taurus-Lieferungen an die Ukraine vor ein Ultimatum zu stellen und mit der Sicherheit Deutschlands „Russisch Roulette“ zu spielen. Merz sagte gestern, er wolle der Ukraine lediglich Handlungsoptionen in die Hand geben, damit diese auf das Kriegsgeschehen Einfluss nehmen könne. 

Scholz rief auch dazu auf, mit der Ukraine über Wege zu einem Ende des von Russland begonnenen Angriffskrieges zu sprechen. Sein Ziel sei, „Konzepte mit der Ukraine zu entwickeln, wie der Krieg doch irgendwann enden kann“, sagte Scholz am Mittwoch in der Regierungsbefragung im Bundestag. Entscheidend seien für ihn dabei die Überlegungen der Ukraine selbst - und „dass nicht über die Köpfe der Ukraine hinweg Entscheidungen getroffen werden“.

Keine deutschen Soldaten in der Ukraine

Scholz schloß auch die Entsendung deutscher Bodentruppen in die Ukraine zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus. Dies komme „nicht in Betracht“, sagt Scholz bei der Regierungsbefragung im Deutschen Bundestag. Darin sei er sich mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Verteidigungsminister Boris Pistorius einig. Baerbock habe dies in einer Aussage vom Dienstag auch nicht anders angedeutet.

Die Ministerin sei gefragt worden, ob eine Entsendung deutscher Truppen nach einem Waffenstillstand in der Ukraine möglich wäre, führt Scholz aus. Auf diese hypothetische Frage habe Baerbock versucht, „eine diplomatische Antwort zu geben“, sagt Scholz.

FDP fragt nach Taurus-Ausbildung

„Halten Sie es für sinnvoll, die Ausbildung am Taurus schon jetzt zu beginnen?“, wollte Markus Faber vom Kanzler wissen. Der verteidigungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion verwies bei seiner Frage darauf, dass die Ausbildung von Soldaten an Taurus-Marschflugkörpern vier Monate dauern würde und die Option daher im Sinne von Scholz’ Nachfolger wäre. Der Kanzler reagierte zunächst spöttisch. „Für eine Partei, die mit der 5-Prozenthürde zu kämpfen hat, sind sie ganz schön tapfer“, sagte Scholz in Richtung des FDP-Abgeordneten.

Der SPD-Politiker schloss die Vorbereitung einer möglichen Taurus-Lieferung an die Ukraine dann erneut aus. Deshalb mache auch eine Ausbildung keinen Sinn. Seine Position sei weiter: „Der stärkste Unterstützer sein, aber nicht alles machen, was zu einer Eskalation beitragen kann“.

Union kritisiert Scholz für Wirtschaftslage – der kontert

Nach dem Eingangsstatement des Kanzlers stellte zunächst Julia Klöckner die erste Frage vonseiten der Abgeordneten. Die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion wollte von Scholz wissen, ob er angesichts der schlechten Wirtschaftslage sein vor Jahren geäußertes Versprechen eines Wirtschaftswunders für Deutschland eingelöst sehe.

Die rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete Julia Klöckner machte den Kanzler erneut für die schlechte wirtschaftliche Lage im Land verantwortlich.

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Der Kanzler verwies zunächst auf die unter seiner Führung in viel größerem Umfang getätigten Investitionen etwa in den Ausbau der erneuerbaren Energien oder die Digitalisierung, die Wachstumsprozesse auslösen würden. Der Union warf er vor, über Jahrzehnte viele bürokratische Hürden in Deutschland aufgebaut zu haben. Mitverantwortlich für die aktuelle Lage machte der SPD-Politiker auch erneut die geringe weltwirtschaftliche Nachfrage sowie die infolge des russischen Angriffskriegs gestiegenen Energiepreise.

Scholz wirbt für Zustimmung zu seinen Vorhaben

Mit Blick auf die Zukunft warb Scholz erneut für die Zustimmung der von ihm vorgeschlagenen Deckelung der Netzentgelte. „Die Zeit des Wahlkampfes ist nicht die Zeit des Stillstandes. Man kann noch etwas tun“, gab sich der SPD-Politiker hoffnungsvoll. „Ich bitte Sie, dabei mitzuwirken.“

Auch bei weiteren Gesetzesvorhaben bat Scholz um die Stimmen der Opposition. Konkret nannte er den Abbau der kalten Progression in der Einkommensteuer, die Erhöhung von Kindergeld und Kinderzuschlag, die Verlängerung des Deutschlandtickets sowie der Mietpreisbremse. Letztere würde Ende des kommenden Jahres auslaufen.

Später kritisierte der Vize-Fraktionsvorsitzende der AfD Scholz ebenfalls für die schlechte Konjunkturlage. Dafür machte er Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) verantwortlich. Nachdem der Kanzler schon Lindner aus der Regierung geworfen habe, wollte Holm wissen: „Wann entlassen Sie den Wirtschaftsminister?“ Scholz reagierte lächelnd. „Das habe ich nicht vor und das werde ich nicht tun“.

Um den Wohnungsmangel zu bekämpfen, sprach sich der Bundeskanzler auch dafür aus, mehr und insbesondere auf Freiflächen zu bauen. „Ohne mehr Bauland, ohne die Erschließung neuer Stadtteile in den höchst nachgefragten Städten und Regionen wird es nicht gelingen“, sagte Scholz. Beispielsweise müsse man sich in Berlin trauen, den ehemaligen Flughafen auf dem heutigen Tempelhofer Feld zu bebauen, „der da gewissermaßen ungenutzt rumliegt“. Derartige Forderungen gibt es seit Jahren. Ein Volksentscheid im Mai 2014 hatte eine Bebauung allerdings verhindert.

In Sitzungswochen des Deutschen Bundestags können Abgeordnete mittwochs über die vormittags im Bundeskabinett besprochenen Vorhaben Auskunft erhalten. Im Plenum muss sich Olaf Scholz laut Geschäftsordnung dreimal im Jahr für eine Stunde den Fragen der Abgeordneten stellen: vor Ostern, vor der Sommerpause und vor Weihnachten. Davor hat der Kanzler die Möglichkeit, sich selbst bis zu acht Minuten zu äußern.

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