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Politik: IG-Metall: Wenn das Schwein das Huhn fürchtet (Kommentar)

Wenn in Metallerkreisen über das Bündnis für Arbeit diskutiert wird, erzählt man sich gerne die Geschichte vom Schwein und dem Huhn: "Wollen wir ein Joint Venture machen?" fragt das Huhn das Schwein.

Wenn in Metallerkreisen über das Bündnis für Arbeit diskutiert wird, erzählt man sich gerne die Geschichte vom Schwein und dem Huhn: "Wollen wir ein Joint Venture machen?" fragt das Huhn das Schwein. "Warum nicht, aber zu welchem Zweck?", fragt das Schwein. "Ham and eggs", antwortet das Huhn. Die Gewerkschaften sind die armen Schweine am Bündnistisch. So jedenfalls empfinden das viele. Und was denkt der Erfinder des Bündnisses, IG Metall-Chef Klaus Zwickel? Erstmal an seine Wiederwahl in der kommenden Woche, wenn die angeblich so mächtige IG Metall ihren Gewerkschaftstag zelebriert. Der Kanzler kommt und wird den Delegierten seine Sparpolitik erläutern. Das wird schwierig, denn an Stelle der Wahlkampfparole "Arbeit, Arbeit, Arbeit" heißt es nun "Sparen, Sparen, Sparen". Insbesondere in den Sozialsystemen, insbesondere bei der Rente. Ein Vorruhestand mit 60, wie ihn Zwickel jetzt fordert, passt nicht in diese Zeit. Warum bricht Zwickel dann diesen Konflikt vom Zaun?

Die Gewerkschaften sind in der Krise. Der Flächentarif bekommt immer mehr Löcher, die Akzeptanz in der Bevölkerung schrumpft. Bei den Jüngeren ist der Organisationsgrad katastrophal, weil die kollektive Interessenvertretung unattraktiv erscheint. Und: Der historische Partner der Gewerkschaften, die Sozialdemokratie, verabschiedet sich gegenwärtig von Traditionen aus der Arbeiterbewegung - die "Neue Mitte" liegt eher in den Dienstleistungsbereichen. Dagegen orientiert sich die IG Metall an der klassischen Klientel: den Kernbelegschaften in Großbetrieben. Deren Zahl schrumpft. Fast die Hälfte der 2,7 Millionen IG Metall-Mitglieder sind heute bereits Rentner und Arbeitslose.

Wie schön war die Zeit unter Helmut Kohl, als die gekürzte Lohnfortzahlung im Krankheitsfall Tausende in die Arme der Gewerkschaften trieb, Zwickel mit dem "Ende der Bescheidenheit" der Verteilungsdebatte noch einmal einen kampagnenfähigen Stempel verpasste. Und nun Schröder. Ausgerechnet in dem von Zwickel erfundenen Bündnis für Arbeit werden sich die Arbeitnehmervertreter auf eine Tarifpolitik festlegen müssen, die weniger den Lohnzuwachs anstrebt als vielmehr neue Arbeitsplätze. Bislang beschränkt sich die IG Metall auf die Umverteilung von Arbeit: Überstundenabbau, 32-Stunden-Woche und jetzt die Rente ab 60. Die damit verbundenen Versprechen sind hohl. Die Reduzierung der Überstunden würde gerade mal 20 000 Arbeitsplätze bringen. Wenig beeindruckend sind auch die Effekte eines vorgezogenen Ruhestands. Nach Angaben der Rentenversicherungsträger hat bisher nur ein Arbeitsloser auf sieben frei werdende Stellen einen neuen Job erhalten. Zwickels Verheißung, eine Million junger Menschen würde beschäftigt, wenn es die Rente ab 60 gäbe, ist eine Luftnummer.

Was treibt ihn dann? Vielleicht sucht der IG Metall-Chef einen Vorwand, aus dem Bündnis auszusteigen. Vielleicht ist es die Warnung an Arbeitsminister Riester, jetzt nicht mit der Union die neue Rentenformel zu suchen, sondern seiner gewerkschaftlichen Heimat treu zu bleiben. Wahrscheinlich aber hat er die Debatte initiiert, um von eigenen Schwächen abzulenken und gut über den Gewerkschaftskongress zu kommen. Die Auseinandersetzung mit dem Kanzler und dem Arbeitsminister wird die Reihen schließen. Doch danach muss Zwickel zurück an den Bündnis-Tisch, wenn er nicht die Regierung und über kurz oder lang auch die eigene Organisation gefährden will. Und die Gewerkschafter werden sich wieder die Geschichte vom Schwein und dem Huhn erzählen.

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