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Im Blick: Hier hui, da pfui?

Es ist rein zufällig, dass Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) mitten in der aktuellen Euro-Krise eine Klage gegen den innerdeutschen Länderfinanzausgleich ankündigt. Oder?

Zusammen mit den beiden anderen Hauptzahlern, Bayern und Hessen. Und direkt hat das eine mit dem anderen auch nicht viel zu tun. Aber indirekt sehr wohl. Denn die Europäische Union, und erst recht ihr Kern, die Euro-Zone, werden mehr oder weniger nach dem deutschen Föderalismusmodell gestrickt. Und das ist darauf angelegt, das Ganze und die Teile recht eng zusammenzufügen. Ganz anders etwa als das amerikanische Modell, das tendenziell darauf setzt, bei aller Kooperation zwischen Washington und den Bundesstaaten die Eigenverantwortung der Teile höher zu gewichten. Weshalb es in den USA eben keinen nivellierenden, ausgleichenden, umfassenden Finanzausgleich gibt. In Deutschland aber wohl. Und in Europa gibt es ihn auch, wenn auch noch nicht im deutschen Ausmaß. Aber das dürfte kommen – siehe Griechenland.

Der Verweis, dass die Verträge eine Transferunion eigentlich nicht vorsehen, hilft da wenig weiter. Auch nicht die Meinung klagewilliger Professoren, die EU sei ein Staatenbund, kein Bundesstaat. Denn die politische Realität ist eine andere: Die EU ist längst auf dem bundesstaatlichen Weg, und die Euro-Zone erst recht, Finanztransfers eingeschlossen. Weshalb sonst hätten Staaten wie Griechenland und Portugal trotz aller Nachteile, die der Euro für sie bedeutet, den Beitritt denn gewagt?

Diese Staaten machen im Grunde nur, was einige Bundesländer auch tun. Allen voran Berlin, das so pleite ist wie Griechenland (und das mindestens so selbstverschuldet) und ohne die Hilfsgemeinschaft von Bund und starken Ländern ebenfalls Mühe hätte, Geld am Kapitalmarkt zu einigermaßen akzeptablen Bedingungen zu bekommen. Dank des Finanzausgleichs und des grundgesetzlichen Postulat der gleichwertigen Lebensverhältnisse lebt es sich dennoch ganz vergnügt in der Hauptstadt. Wer aber diesen Finanzausgleich und die übermäßige Umverteilerei kritisiert, sieht sich schnell als unsolidarisch und unsozial verunglimpft. Denn was kann – anderes Beispiel – das arme, kleine Sachsen-Anhalt dafür, dass es so hohe Schulden hat? Die schwachen Länder haben gern die Sympathien auf ihrer Seite. Und im Zweifelsfall (siehe unlängst bei Einführung der Schuldenbremse) via Bundesrat ein einträgliches Sperr- und Erpressungspotenzial. Was Griechenland übrigens nicht hat.

Berlin, Bremen, das Saarland, die Ost-Länder außer Sachsen, auch Schleswig-Holstein praktizieren nichts anderes als eine „Light-Version“ des griechischen Geschäftsmodells: sich haushaltspolitisch gehen zu lassen im Vertrauen darauf, dass einen die Starken im föderalen Verbund heraushauen, weil sie gar nicht anders können. Die Empörung in der Bundesrepublik über das Vorgehen der Hellenen ist dann ein wenig verlogen, wenn man im eigenen Land nichts daran findet. Und Europa funktioniert nach dem deutschen Modell. Daher könnten die EU- Partner zu Recht fragen: Warum wettert ihr in Europa gegen etwas, was ihr bei euch daheim ganz ähnlich praktiziert?

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