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OSZE-Beobachter nach einem Angriff auf die ukrainische Stadt Mariupol am 24. Januar.

© imago

Wie wird man OSZE-Beobachter?: Im Einsatz für den Frieden

Die OSZE will schnell weitere 500 Beobachter in die Ukraine schicken. In Deutschland sucht das Zentrum für internationale Friedenseinsätze geeignetes Personal für die Mission.

Wer Ukrainisch oder Russisch spricht und vielleicht sogar weiß, wie man eine Aufklärungsdrohne steuert, hat derzeit beste Aussichten auf einen Job. Die idealen Kandidaten bringen Verhandlungsgeschick und Organisationstalent mit, sind in ausgezeichneter körperlicher Verfassung und arbeiten nicht zum ersten Mal in Osteuropa. Sie können mindestens sechs Jahre Berufserfahrung in Bereichen wie Politik und Sicherheit, Grenzkontrolle, Abrüstung oder Menschenrechte vorweisen. So steht es in einer am vorigen Donnerstag veröffentlichten Stellenanzeige der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Gesucht werden Beobachter für die Mission in der Ukraine – und es gibt nicht nur eine offene Stelle, sondern gleich 500. Denn die 57 Mitgliedstaaten der OSZE haben sich darauf verständigt, die Zahl der Beobachter in der Ukraine auf bis zu 1000 zu erhöhen.

Derzeit sind nach Angaben des stellvertretenden Leiters der OSZE-Beobachtermission, Alexander Hug, 460 Beobachter aus 42 Ländern in der Ukraine im Einsatz. 350 von ihnen sind in den umkämpften Regionen Donezk und Luhansk im Osten des Landes unterwegs. Der Einsatz läuft bereits seit einem Jahr, doch nun kommt den Beobachtern, die selbst unbewaffnet sind, eine Schlüsselrolle in dem fragilen Friedensprozess in der Ostukraine zu: Im Februar verständigten sich Vertreter der Ukraine, Russlands und der Separatisten darauf, dass die OSZE den Abzug der schweren Waffen von der Front kontrollieren soll. Die durch den Rückzug beider Seiten entstehende Pufferzone ist bis zu 140 Kilometer breit.

Direkt bei der OSZE bewerben kann man sich nicht

Dass die bisherige Zahl der internationalen Beobachter für diese neue Aufgabe nicht ausreichen würde, war absehbar. Aber erst einen Monat nach der Vereinbarung von Minsk beschloss die OSZE, die Mission zu vergrößern. Diese gilt als bisher größte Herausforderung für die Organisation und ist der zweitgrößte Einsatz nach der Mission im Kosovo.

Jetzt müssen so schnell wie möglich 500 neue Experten her. Doch wie wird man überhaupt OSZE-Beobachter? Auf die Stellenausschreibung der Organisation kann man sich nicht direkt bewerben: Für solche Positionen nominieren die OSZE-Mitgliedsländer geeignete Kandidaten. In Deutschland laufen die Bewerbungen über das Zentrum für internationale Friedenseinsätze (ZiF) in Berlin. Das Zentrum rekrutiert Experten für die OSZE und die Europäische Union.

Jeder, der an einem solchen Einsatz teilnehmen will, muss ein mehrstufiges Auswahlverfahren durchlaufen. Bewerber sollten mehrere Jahre im Beruf stehen, Erfahrung in Krisengebieten und sehr gute Fremdsprachenkenntnisse mitbringen und außerdem körperlich und psychisch belastbar sein. Wer die Voraussetzungen erfüllt, nimmt an einem Grundkurs teil und macht ein Sicherheitstraining mit, in dem die Teilnehmer beispielsweise auch auf mögliche Geiselnahmen vorbereitet werden. Erst danach wird im ZiF entschieden, ob die Bewerber in den Expertenpool des Zentrums aufgenommen werden, aus dem dann bei Bedarf für Missionen von OSZE und EU geeignete Kandidaten ausgesucht werden.

Auch Richter und Staatsanwälte für Auslandseinsätze gesucht

Nur für einige Experten sind die Friedensmissionen die Haupttätigkeit, sie gehen von einem Einsatz fast direkt in den nächsten. Doch das ist aus Sicht der Personalplaner im ZiF nicht der Idealfall, weil die Einsätze in jeder Hinsicht belastend sein können. Andere Teilnehmer arbeiten in der Wirtschaft oder sind Verwaltungsbeamte, auch Richter und Staatsanwälte sind im Expertenpool registriert. Die Einsätze dauern in der Regel ein bis drei Jahre, danach kehren die Experten nach Deutschland in ihre alten Berufe zurück. Finanziell ist eine solche Tätigkeit auf Zeit durchaus attraktiv: Zur Aufwandsentschädigung, die das entsendende Land zahlt, kommt noch ein Tagegeld von der OSZE beziehungsweise der EU. Nach ihrer Rückkehr aus dem Einsatz werden die Experten beim Wiedereinstieg in der Heimat begleitet.

Deutschland stellt sich international gern als zivile Friedensmacht dar, Bundespräsident Joachim Gauck lobte vor Kurzem das Engagement der Helfer als vorbildlich. Doch in der Öffentlichkeit sind diese Einsätze – anders als die Missionen der Blauhelme der Vereinten Nationen – nur wenig bekannt.

Kein Mangel an Bewerbern

Jedes Jahr werden rund 150 deutsche Friedenshelfer über das ZiF in internationale Einsätze geschickt. Etwa 1500 Experten sind im Pool des ZiF registriert, allerdings haben sich etwa 500 von ihnen nur für Kurzzeiteinsätze als Wahlbeobachter gemeldet. "Wir haben keinen Mangel an Bewerbern", sagt Astrid Irrgang, stellvertretende Direktorin des Zentrums. Es gebe zurzeit zehnmal so viele Interessenten wie Plätze im Grundkurs.

Für die Rekrutierung von OSZE-Beobachtern für die Ostukraine wählte das Zentrum allerdings einen nicht alltäglichen Weg. Denn der Einsatz hat aus Sicht des Auswärtigen Amts eine besonders hohe Priorität – allein schon deshalb, weil sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) selbst für eine Vergrößerung der Mission eingesetzt hatte. Daher will Deutschland auch einen angemessenen personellen Beitrag leisten.

Steinmeier betonte am Rande eines EU-Außenministertreffens in Riga, gemeinsam mit dem ZiF wolle man dafür werben, dass sich mehr geeignete Beobachter für einen Einsatz in der Ukraine zur Verfügung stellen. In Absprache mit dem Auswärtigen Amt setzte sich das ZiF mit anderen Organisationen in Verbindung, die in ihren Netzwerken für die OSZE-Mission werben sollten, etwa dem Roten Kreuz, dem Reservistenverband der Bundeswehr, dem Technischen Hilfswerk und der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit. Gerade für die Mission in den ukrainischen Regionen Donezk und Luhansk, in denen die Waffenruhe immer wieder gebrochen wird, werden bevorzugt Experten ausgewählt, die bereits Erfahrung in bewaffneten Konflikten haben. Außerdem sind Spezialkenntnisse wie beispielsweise die Auswertung von Luftbildern gefragt.

Ein Sicherheitstraining ist Pflicht

Bereits jetzt seien 22 Deutsche für die OSZE in der Ostukraine im Einsatz, sagt Astrid Irrgang, drei weitere seien für die EU in der Ukraine. Wie viele Deutsche am Ende in die Region entsendet werden, stehe noch nicht fest. Derzeit werden im ZiF die Bewerbungen geprüft, am Ende muss das Auswärtige Amt die Kandidatenliste absegnen. Dort wird auch entschieden, mit wie vielen Beobachtern sich Deutschland am Ende beteiligen will – dies ist nicht zuletzt eine Frage des Budgets. Die neuen Beobachter können relativ bald in die Ukraine fliegen. Jeder muss allerdings vorher an einem Sicherheitstraining des österreichischen Heers teilnehmen. Denn der Einsatz ist keineswegs ungefährlich: Im vergangenen Jahr wurden in der Ostukraine Militärbeobachter entführt, die dort auf Einladung der ukrainischen Regierung unterwegs waren.

Der stellvertretende Leiter der Beobachtermission, Alexander Hug, ist zuversichtlich, genügend neue Mitarbeiter aus den 57 OSZE-Staaten zu bekommen: "Die Rekrutierung als solche sollte bei so vielen Mitgliedstaaten kein Problem sein." Damit sei es aber noch nicht getan. Die Beobachter müssten auch ausgebildet und ausgerüstet werden, sie bräuchten gepanzerte Fahrzeuge und Satellitentelefone, sagt Hug. "Es wird einige Zeit dauern, bis alle vor Ort sind."

Dieser Text erschien in Agenda, dem Politik-Journal des Tagesspiegels.

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