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Politik: Im Namen der Nato

Jung: Verteidigungsbündnis soll geplante US-Raketenabwehr mit Amerikanern weiterentwickeln

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) will die Diskussion über das geplante amerikanische Raketenabwehrsystem in Polen und Tschechien nicht allein Washington, Warschau und Prag überlassen. Die USA sagen, sie wollen sich mit dem Raketenschild gegen mögliche Angriffe aus dem Iran oder Nordkorea wappnen. Jung wünschte sich stattdessen eine Entwicklung des Systems im Rahmen der Nato. Bei einem Treffen der EU-Verteidigungsminister verwies Jung am Freitag in Wiesbaden auf eine entsprechende Machbarkeitsstudie der Nato zur Raketenabwehr. „Deshalb halte ich es für klug, dieses gesamte System in die Nato zu integrieren und die Fortentwicklung auf diesem Weg voranzutreiben“, sagte Jung.

Beim Nato-Gipfel im vergangenen November in Riga hatten die Staats- und Regierungschefs der Allianz beschlossen, ihre Diskussionen über ein gemeinsames Raketenabwehrsystem innerhalb des Bündnisses fortzusetzen. Ein Nato-Sprecher in Brüssel sagte dem Tagesspiegel, dass derzeit noch keine Beschlüsse über einen gemeinsamen Schutzschirm vorlägen. In einer Machbarkeitsstudie aus dem vergangenen Jahr würden jedoch verschiedene Bedrohungsszenarien „in umfassender Form“ aufgelistet. Diese Studie betreffe unter anderem die Gefahr durch ballistische Raketen und die Weiterverbreitung von Nuklearmaterial. Völlig ungeklärt sei unter anderem die Finanzierung eines gemeinsamen Nato-Schutzschildes, sagte der Sprecher weiter. Die US-Pläne für die Einrichtung eines Abwehrsystems in Polen und Tschechien seien defensiver Natur, erklärte er. Bereits am Mittwoch hatte der stellvertretende Nato-Generalsekretär John Colston in der litauischen Hauptstadt Vilnius erklärt, dass sich die Pläne für ein amerikanisches Raketenabwehrsystem in Polen und Tschechien nicht gegen Russland richteten. Es gehe dabei lediglich um die Abwehr drohender Angriffe mit Massenvernichtungswaffen.

Aus dem Bundesverteidigungsministerium hieß es, die Notwendigkeit eines Raketenabwehrsystems sei grundsätzlich unbestritten. Nach eigenen Angaben arbeitet die amerikanische Regierung derzeit an der Entwicklung einer Radaranlage in Tschechien und einer Abschussbasis für zehn Abfangraketen in Polen. Bei einem Besuch in Brüssel sprach der Leiter der US-Raketenabwehrbehörde, Generalleutnant Henry Obering, zudem auch von der Errichtung einer Radarstation im Kaukasus.

Auch mit Blick auf den geplanten Raketenabwehrschild hatte der russische Präsident Wladimir Putin die USA auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Januar scharf kritisiert. Um die Bedenken Moskaus aus der Welt zu schaffen, sprach sich Bundesverteidigungsminister Jung in Wiesbaden dafür aus, den Streit im Nato-Russland-Rat zu lösen: „Wir sind auch weiterhin interessiert an einer partnerschaftlichen Entwicklung mit Russland, weil wir ein gemeinsames Sicherheitsinteresse haben.“ Dies gelte unter anderem für den Nuklearstreit zwischen der internationalen Staatengemeinschaft und Teheran. Die EU-Staaten müssten gemeinsam mit den USA, Russland und China „dafür sorgen, dass der Iran keine atomare Bewaffnung erhält“, sagte Jung.

Wenn sich der CDU-Politiker Jung nun grundsätzlich für ein Raketenabwehrsystem ausspricht, so beschwört er damit möglicherweise auch innenpolitischen Streit herauf. SPD-Chef Kurt Beck hatte sich deutlich gegen das amerikanische System ausgesprochen, und auch Parteigenosse und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hatte Bedenken geäußert. Im Bundestag hatte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag vorgeworfen, in ihrer Eigenschaft als derzeitige Ratsvorsitzende der Europäischen Union den geplanten Abwehrschirm der Amerikaner nicht deutlich abgelehnt zu haben. FDP-Chef Guido Westerwelle hatte die Bundesregierung ebenfalls dazu aufgefordert, die Frage der Raketenabwehr auf europäischer Ebene zu behandeln.

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