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Verbotene Lebensmittel werden vernichtet.

© REUTERS

Importe aus dem Westen: Russland vernichtet tonnenweise Lebensmittel

Die russischen Behörden suchen im ganzen Land nach Essen aus dem Westen, das durch ein Embargo verboten ist. Diese Lebensmittel werden nun verbrannt.

Geld spielt keine Rolle, wenn Russland Jahrestage zelebriert. Am Donnerstag vor einem Jahr hatte Moskau als Retourkutsche für westliche Sanktionen wegen der Ukraine-Krise ein Einfuhrverbot für europäische Lebensmittel verhängt. Angesichts dieses Ereignisses loderte an allen russischen Grenzkontrollpunkten ein Feuer. Zu sehen waren die ersten Scheiterhaufen mit beschlagnahmter Ware.

Im Gebiet Orenburg an der Grenze zu Kasachstan brannten 20 Tonnen Käse, in Samara an der Wolga und in St. Petersburg Schweinehälften. Filmreif ging es an einem Grenzübergang im Gebiet Smolensk zu. Dort legte ein Lkw-Fahrer den Rückwärtsgang ein, um sich und seine Fracht in Weißrussland in Sicherheit zu bringen. Er hatte gesehen, wie der russische Zoll zwei Kollegen vor ihm, die wie er Tomaten geladen hatten, herauswinkten. Ihre Fracht landete wenig später auf dem Gelände einer nahen Müllverbrennungsanlage.

Weißrussland ist neben Kasachstan das wichtigste Transitland für verbotene Früchte. Dort werden sie umverpackt oder etikettiert. Meist bekommen sie dort neue Begleitdokumente, die ein neutrales Herkunftsland als Exporteur ausweisen. So wie in Samara. Das am Donnerstag dort vernichtete Schweinfleisch – sechs Lastwagen mit insgesamt 114 Tonnen– war bereits im April beschlagnahmt worden. Inspekteure der Agraraufsichtsbehörde hatten Zweifel an der Echtheit der Frachtpapiere, die Brasilien als Erzeuger auswiesen. Ein Anruf dort bestätigte die Vermutung.  

Der Vernichtungsfeldzug ist Chefsache. Präsident Wladimir Putin hatte einen entsprechenden Erlass am 29. Juli durch eigenhändige Unterschrift in Kraft gesetzt, Landwirtschaftsminister Alexander Tkatschow dazu die Vorlage geliefert. Der Mann ist ein bekennender Förderer russischer Großagrarier, für die der Einfuhrstopp eine Lizenz zum Gelddrucken ist. Dennoch war so sicher nicht, ob die Kampagne pünktlich anlaufen kann. Noch in der Nacht zuvor meldeten die russischen Nachrichtenagenturen, dass die Behörden nicht „vollumfänglich“ gerüstet und einige Punkte des Verfahrens unzureichend geregelt seien.

Der Widerstand wächst

Sergei Dankwert, der der Chef der Agraraufsichtsbehörde dementierte das postwendend. Hunderte Tonnen Lebensmittel seien für die Vernichtung gleich am ersten Tag bereits präpariert worden. Auch habe die bloße Ankündigung einen sehr hohen Abschreckungswert gehabt. Seit Verkündung durch Putin habe es zehnmal weniger Schmuggelversuche gegeben. Unbegründet seien auch Befürchtungen, die Kapazitäten der Müllverbrennungsanlagen in grenznahen Gebieten würden nicht reichen, die Ware müsste daher durch die Gegend kutschiert werden.

Durch die Aktionen wird es mit einem Trend weitergehen. Seit Beginn des Embargos geht es mit den Preisen für Grundnahrungsmittel steil aufwärts. Weil einheimische Erzeuger mitunter den Bedarf nicht decken können, kommt es auf dem flachen Lande sogar zu Engpässen wie derzeit bei Graupen. Geht es streng nach Rechtslage gehörten jetzt sogar sie, sofern es sich um illegal eingeführte handelt, auf den Scheiterhaufen.

Doch die Verschärfung des Embargos stößt auf ersten Widerstand. Sogar bei der angepassten Opposition in der Duma. Statt illegale Importe zu verbrennen, fordert Andrei Krutow von der Fraktion Gerechtes Russland, sollte man sie in die Ostukraine schicken. Oder wenigstens als Dünger verwenden, rät Umweltschützer Michail Antonow.

Geradezu sensationell für russische Verhältnisse ist eine Petition, die bereits 200000 Menschen online unterzeichneten. Wegen der Sanktionen seien viele gezwungen, sich beim Essen einzuschränken und gar zu hungern. Die Duma solle möglichst schnell ein Gesetz über die unentgeltliche Abgabe der zu vernichtenden Lebensmittel an besonders bedürftige Bevölkerungsgruppen verabschieden: Kinderreiche, Rentner, Behinderte, Kriegsveteranen.

Daraus wird wohl nichts. Einige fürchten sogar, die Website von Change.org, einer in den USA gegründeten inzwischen aber weltweit agierende Plattform für Online-Aktivismus, könnte für russische User gesperrt werden. Der Präsident, sagt Putins Sprecher, werde über die Petition informiert. Die Unterschriften müssten sorgfältig geprüft werden. Es gäbe es generell Probleme mit „Authentizität und Identifizierung“ bei „dieser Ressource“.

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