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Politik: In der Pflicht

Runder Tisch: Institutionen sollen selbst Anzeige erstatten / Entschädigung weiter unklar

Berlin - „Wir wollen mitreden!“ Christian Bahls ist sichtlich empört. Immer wieder unterbricht der Mann, der als Kind sexuell missbraucht wurde, die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Christine Bergmann. „Wir wollen nicht mehr, dass andere für uns sprechen. Wir wollen an den Runden Tisch!“ Das Anfang des Jahres von der Bundesregierung eingerichtete Expertengremium hat am Donnerstag zum zweiten Mal getagt. Und zusammen mit den Bundesministerinnen Anette Schavan, Kristina Köhler (beide CDU) und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) war Bergmann am Nachmittag vor die Presse getreten, um über erste Empfehlungen des Gremiums zu berichten.

So sollen sich Institutionen künftig selbst dazu verpflichten, Missbrauchsfälle anzuzeigen. Eine generelle, strafbewehrte Anzeigepflicht, wie sie Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger noch im April gefordert hatte, soll es dagegen nicht geben. „Aus meiner Sicht sind die Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich immer einzuschalten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Sexualstraftat begangen wurde“, sagte die Ministerin.

Außerdem soll die Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche künftig auf 30 Jahre angehoben werden. Familienministerin Kristina Schröder erklärte hingegen, dass künftig jede mit Kindern und Jugendlichen arbeitende Institution über einheitliche Präventionsstandards verfügen soll. Selbst in Sportvereinen soll es Gefahrenanalysen geben. „Wir wollen, dass man sich im Vereinsvorstand darüber Gedanken macht, wo Missbrauch stattfinden könnte, und Ansprechpartner benennt“, sagte Schröder. Schavan kündigte eine weitere Förderung des an der Berliner Charité beheimateten Forschungsprojektes „Dunkelfeld“ an, dass sich präventiv um Männer kümmert, die sich selbst als pädophil einschätzen.

Keine Entscheidung traf der Runde Tisch dagegen zur Höhe möglicher Entschädigungen für die Missbrauchsopfer. Lediglich ein von der katholischen Kirche vorgelegtes Entschädigungskonzept wurde diskutiert und von den Ministerinnen einhellig begrüßt. Es sieht vor, dass die Kirche und andere von Missbrauch betroffene Institutionen Therapiekosten übernehmen, die nicht von Krankenkassen übernommen werden. Daneben soll es Geldleistungen geben, deren Höhe am Runden Tisch besprochen werden soll.

„Der Mehrzahl der Opfer kommt es aber auf eine persönliche Entschuldigung der Täter an“, sagte der Missbrauchsbeauftragte der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, dem Tagesspiegel. Man versuche daher, auch bei verjährten Ansprüchen zunächst die Täter zu einer Zahlung zu bewegen. Erst wenn dies nicht gelinge, würden der betreffende Orden oder die betroffene Diözese einspringen. Enttäuscht über das Konzept der Katholiken zeigten sich hingegen die am „Eckigen Tisch“ zusammengeschlossenen Opfer von Missbrauch an Jesuitenschulen. „Die Vorschläge erscheinen uns vage“, sagte ihr Sprecher Matthias Katsch. „Genugtuung – und damit Vergebung und Heilung – kann so nicht entstehen.“

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