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lich und emotional. Viktor Elbling, hier mit Außenminister Heiko Maas, kann beides: Nähe herstellen und Distanz bewahren.

© picture alliance/dpa/dpa-Zentral

In Notzeiten besonders nahe: Der Italien-Versteher

Viktor Elbling ist der deutsche Botschafter in Rom. Die Beziehungen zwischen den Ländern sind ihm eine Herzensangelegenheit.

Gibt es einen Phänotyp der deutschen Botschafterin, des deutschen Botschafters? Ein allen gemeinsames, offenbares Erkennungszeichen, etwas, das dem Kundigen die Mitgliedschaft in einer eher im Verborgenen tätigen Organisation offenbart?

Kaum. Diplomaten sind vom Gestus, von der Offen- oder Verschlossenheit her so verschieden wie die Menschen insgesamt. Eines verbindet sie aber schon, und dies umso stärker, je länger sie im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland irgendwo auf der Welt unser Land repräsentieren: Souveränität des Auftretens.

Wobei es auch da zu differenzieren gilt: Wie die Balance zu finden ist zwischen der Distanz, die sich aus der oft schwierigen Aufgabe ergibt, und der Nähe, ohne die auch ein Diplomat kein Vertrauen aufbauen kann, entscheidet am Ende das Wesen des Einzelnen und kein mentaler Verhaltenskodex des Amtes.

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Viktor Elbling, dem deutschen Botschafter in Italien seit dem 10. September 2018, scheint dies auf eine bemerkenswerte Weise zu gelingen. Wenn man die kurzen Videos sieht, mit denen er sich über Youtube aus vielfältigen Anlässen an die italienische Öffentlichkeit wendet, erlebt man einen eloquenten Mann, der warmherzig und mit professioneller Beiläufigkeit über das Außenministertreffen in Matera so informativ spricht wie über das Festival des Deutschen Films anlässlich des Christopher Street Days. Kaum eine Seite einer deutschen Auslandsvertretung ist mit solcher Vielfalt und so spannungsreich gestaltet wie die der deutschen Botschaft in Italien.

Nähe und Distanz

„Ich hatte nicht mein Leben darauf ausgerichtet, nach Italien zu kommen“, sagt er im Gespräch mit einem leisen Unterton der Rüge ob der Privatheit der Frage. In solchen Situationen kann man den anderen Viktor Elbling erleben: den distanzierten Menschen, der zum Beispiel Journalisten wohl als Eindringlinge in jenen Bannkreis der privaten Gefühle empfindet, in dem solche Fragen als ungehörig empfunden werden könnten.

Dabei sind sie überaus naheliegend: Viktor Elbling kommt aus einer Diplomatenfamilie. Er wird 1959 in Karachi in Pakistan geboren, wo sein Vater auf Posten ist. Die Mutter ist Italienerin. Der Werdegang des Vaters und die familiären Bande der Mutter machen den Besuch der Grundschule in Forli in Oberitalien möglich, dann den der deutschen Schule in Mailand. Das Abitur legt er im spanischen Bilbao ab. Schließlich studiert er Jura in Bonn, später Politische Wissenschaften und Romanistik. Dem juristischen Vorbereitungsdienst nach dem ersten Staatsexamen folgt der für den Höheren Auswärtigen Dienst, 1990 bis 1993 ist er Referent für Politik an der deutschen Botschaft in Seoul.

Die Zeit bei Klaus Kinkel hat ihn geprägt

Von 1993 bis 1999 ist Viktor Elbling im Ministerbüro von Klaus Kinkel, dem Freien Demokraten, der den Auswärtigen Dienst lehrte, die Welt auch mit den Augen der Wirtschaft zu sehen – obwohl heute noch bestritten wird, dass es dazu erst der absolut undiplomatischen Direktheit von Kinkel bedurft hätte.

Man kann annehmen, dass Viktor Elbling hier eine prägende Phase durchlebte, denn nach vier Jahren als Leiter des Wirtschaftsdienstes an der deutschen Botschaft in Madrid folgt eine mit elf Jahren ungewöhnlich lange Phase in hochrangigen, erstmals besetzten Positionen im Auswärtigen Amt zwischen 2003 und 2014: Erst Referatsleiter für Internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik, dann Beauftragter für Globalisierung und Energie- und Klimapolitik, schließlich Leiter der Abteilung für Wirtschaft und Nachhaltige Entwicklung.

Ein Mann für neue Themen

Diese Themenbündelung war neu. Muss man Elbling da als einen Wegbereiter sehen? Er will die Frage nicht beantworten. Aus Höflichkeit? So viel immerhin sagt er dann doch: Die globalen Themen seien eben immer wichtiger geworden, obwohl sie vorher schon da waren.

Mit der Verbindung zwischen Außen- und Wirtschaftspolitik kann sich Viktor Elbling in Praxis dann noch einmal vier Jahre, zwischen 2014 und 2018, als deutscher Botschafter in Mexiko befassen, denn in diesem Land sind fast alle großen deutschen Firmen präsent.

Und nun Rom. Nach Susanne Wasum-Rainer, Botschafterin von 2015 bis Herbst 2018, hat Deutschland erneut einen begeisterten Fürsprecher Italiens. Viktor Elbling, der Mann, der sehr auf Contenance achtet und jeden Anschein der Nahbarkeit vermeiden möchte, schreibt auf der Homepage der Botschaft: „Für mich ist das Verhältnis zwischen Italien und Deutschland eine Herzensangelegenheit. Nicht nur persönlich, sondern auch, weil ich von der Bedeutung dieser Beziehung für Europa überzeugt bin. Europa ist unsere gemeinsame Zukunft.“

Zwischen beiden Ländern gibt es, so könnte man es einteilen, eine emotionale und eine sachliche Basis. Emotional ist dies: „Literatur, Musik, bildende Kunst, Theater, das sind Dinge, die Europa zusammenhalten, das muss man wieder sichtbar machen, da muss man Kommunikationskanäle eröffnen, die über das offizielle hinausgehen – man muss die Zivilgesellschaft stärken.“

Palermos Bürgermeister Leoluca Orlando erhielt von Ebeling das Bundesverdienstkreuz.
Palermos Bürgermeister Leoluca Orlando erhielt von Ebeling das Bundesverdienstkreuz.

© Foto: AFP

Das kann man sehr demonstrativ. Etwa, wenn der Bundespräsident den Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, mit dem Großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland ehrt, und Botschafter Viktor Elbling die Auszeichnung damit begründet, dass sich Leoluca Orlando „in jeder Phase seines politischen Lebens für ein geeintes Europa ohne Grenzen“ eingesetzt habe, „für ein starkes Europa mit einer starken Zivilgesellschaft“.

Orlando wurde international bekannt durch seinen Kampf gegen die Mafia und lebt seitdem unter Personenschutz. Zudem setzt er sich für eine menschenwürdige und gerechte Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten in Europa ein, meldete KNA von der Verleihung.

Ganz ähnlich wenig später die Begründung für die Auszeichnung des Gründers der katholischen Gemeinschaft Sant’Egidio, Andrea Riccardi, mit dem Großen Verdienstkreuz. Hier würdigte Elbling die Verdienste Riccardis und seiner Gemeinschaft für die Schwächsten weltweit, für Konfliktopfer, Arme, Kranke oder Geflüchtete.

Wie nah die Länder Europas in Notzeiten beieinander sein müssen, erlebte Viktor Elbling in den ersten furchtbaren Pandemiemonaten im vergangenen Jahr, als in Norditalien in den Nächten die Armeelastwagen mit den Särgen der Toten aus Bergamo abfuhren. „Die Krankenhäuser in Norditalien sind sehr gut“, erklärt er, immer noch bewegt, die Situation, aber: „Die Krankheitswelle war so verheerend…“

Das Leben schreibt die bestenPläne

Dass Deutschland in den ersten Wochen der Pandemie die Ausfuhr von Schutzmasken stoppte, hatte damals auch hier Schlagzeilen gemacht. In der italienischen Öffentlichkeit haften blieb aber die große Welle der Hilfsbereitschaft: „Deutschland hat viele Kranke von der Luftwaffe abholen lassen, insgesamt waren es 44 Schwerkranke.“

Neben der emotionalen gibt es aber auch die sachliche, die rationale Bezugsebene. In Deutschland leben 776.000 italienisch-stämmige Bürgerinnen und Bürger. Und dann spricht der Wirtschafts- und Globalisierungsfachmann: „Italien ist eine der größten Industrienationen der Welt. Der Wirtschaftsaustausch zwischen Deutschland und der Lombardei ist größer als der zwischen Deutschland und Japan … Es gibt kein außenpolitisches Thema, bei dem Deutschland und Italien auseinander sind … Wir sind viel, viel näher beieinander, als viele wahrgenommen hatten.“

Mag sein, dass es nicht Viktor Elblings Lebensplan gewesen ist, nach Italien zu kommen. Manchmal schreibt das Leben selbst den richtigen Plan.

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