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Integration: Erdogans Auftritt ist ein Alarmzeichen - aber für wen?

Die Kritik am türkischen Ministerpräsidenten reißt nicht ab. Die Union warnt die Türkei vor Einmischung in die deutsche Innenpolitik und wirft Erdogan rückwärtsgewandtes Denken vor. Doch der Bundesausländerbeirat kontert.

Der Vorsitzende des Bundesausländerbeirates, Memet Kilic, weist die Kritik am türkischen Ministerpräsidenten zurück: Erdogan hat den Türken in Deutschland mit seiner Warnung vor einer Assimilation "aus der Seele gesprochen". Es muss ein "Alarmzeichen für die Bundesregierung" sein, wenn Tausende Menschen "einem ausländischen Ministerpräsidenten wie ihrem eigenen Regierungschef zujubeln".

Zu der Äußerung von Angela Merkel, auch die Bundeskanzlerin der türkisch-stämmigen Deutschen zu sein, sagt Kilic: "Wir haben nicht diesen Eindruck." Wenn man die Migranten ausgrenzt, dann bleibt ihnen "nichts anderes übrig, als sich mit einem anderen Staat und einem anderen Ministerpräsidenten zu identifizieren".

Ausländerbeirat: "Diese Ängste sind nicht aus der Luft gegriffen."

Kilic wendet sich auch gegen den Vorwurf der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), Erdogan habe mit seiner Warnung vor Assimilation alte Ängste wiederbelebt. Er betonte: "Diese Ängste sind nicht aus der Luft gegriffen."

"Integration bedeutet, sich unter Beibehaltung der eigenen kulturellen Identität an die Rahmenbedingungen einer Gesellschaft anzupassen", so Kilic weiter. Er fordert von Merkel ein Umdenken in der Diskussion über eine EU-Beitritt der Türkei. Ihr Vorschlag einer privilegierten Partnerschaft sei nicht akzeptabel.

Erdogan: "Wovor habt ihr Angst?"

Erdogan bekräftigte heute in Ankara seine Aussagen: "Ich sage noch einmal: Assimilierung ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit." Der Regierungschef räumte ein, dass es in diesem Punkt möglicherweise Differenzen zwischen ihm und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gibt.

Er wiederholte auch seine Forderung, in Deutschland Schulen mit türkischer und deutscher Unterrichtssprache einzurichten. "Wovor habt ihr Angst?" fragte er an seine Kritiker in Deutschland gerichtet. In der Türkei würden schließlich in Kürze auch Universitäten mit der Unterrichtssprache Deutsch eröffnet.

Bosbach: Türkei soll in Deutschland keine Innenpolitik betreiben

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) warnt die türkische Regierung unterdessen davor, sich in die deutsche Innenpolitik einzumischen. "Für das Zusammenleben in Deutschland ist die deutsche Politik zuständig. Man sollte nicht versuchen, als türkische Regierung Innenpolitik in Deutschland zu betreiben." Er verweist dabei auf die Äußerung Erdogans, eine Assimilierung der in Deutschland lebenden Türken sei ein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Diese Äußerung wertete Bosbach im Sender N24 als "schlicht Unsinn".

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, kritisiert die Äußerung Erdogans als "rückwärtsgewandtes Denken". Während der türkische Regierungschef in Ludwigshafen beim Gedenken an die Opfer der Brandkatastrophe als Brückenbauer auftrat, hat er mit seiner Rede später in Köln "alte Ängste" wiederbelebt. "Es geht um Integration. Das muss hineingetragen werden in die türkische Bevölkerung", verlangt Böhmer. Zurückhaltend äußert sie sich zu Forderungen von CSU-Chef Erwin Huber, jetzt die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei in Frage zu stellen. Böhmer riet vielmehr zu einem "unaufgeregten" Umgang mit den Äußerungen Erdogans. (smz/dpa/ddp/AFP)

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