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Iran: Schläger auf dem Friedhof

Bewaffnete haben das Gedenken an die Toten des Protests im Iran verhindert. Ex-Präsident Chatami klagt offen die Justiz an.

In Teheran ist es am Donnerstagabend zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Dabei gingen die Ordnungskräfte mit Tränengas und Schlagstöcken gegen mehrere tausend Menschen vor, die durch die Innenstadt zogen und „Tod dem Diktator“ und „Mahmud, Du Verräter, wir wollen dich obdachlos machen“ skandierten. Zahlreiche Menschen wurden festgenommen. Autofahrern, die aus Solidarität hupten, schlugen Revolutionsgarden die Scheiben ein. Oppositionsanhänger setzten Müllcontainer und Motorräder in Brand.

Ausgelöst worden waren die neuerlichen Proteste gegen die umstrittene Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad durch die Ankündigung der Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi, auf dem Friedhof Behesht-e Zahra im Süden Teherans der bei den Unruhen getöteten Opfer zu gedenken. Bereits am Nachmittag hatten sich mehrere tausend Menschen auf dem weitläufigen Gelände eingefunden, wo auch die 26-jährige Studentin Neda Soltani begraben liegt. Sie war vor 40 Tagen von einer Kugel getroffen auf offener Straße verblutet. Das Video von dem Tod der jungen Frau ging um die Welt, ihr Gesicht wurde zum Wahrzeichen der Protestbewegung. Trauerfeiern am 40. Tag nach dem Tod eines Menschen haben im schiitischen Islam einen zentralen Stellenwert. Schon zu Zeiten des Schahs hatten sich an solchen Gedenktagen für erschossene Demonstranten immer weitere Unruhen entzündet, die schließlich Anfang 1979 mit der Flucht des Diktators ins Ausland endeten.

Polizei und Revolutionäre Garden gingen darum bereits auf dem Friedhof mit Gewalt dazwischen und versuchten, die Leute auseinander zu treiben. Wie Augenzeugen berichteten, gelang es Mussawi zunächst, aus seinem Auto auszusteigen und bis zu dem Grab von Neda Soltani zu gehen. Nach wenigen Augenblicken jedoch sah sich der Ex-Premier von Polizisten umstellt. Er wurde wieder zu seinem Auto geführt, noch bevor er die für ein solches Trauerzeremoniell üblichen Koranverse vortragen konnte. Als seine Anhänger den Wagen umringten, um seine Abfahrt zu blockieren, wurden sie von den Ordnungskräften mit Gewalt abgedrängt. Die Menge rief in Sprechchören „Mussawi, wir unterstützen dich“.

Auch der zweite Oppositionspolitiker Mehdi Karroubi wurde sofort nach seiner Ankunft von Uniformierten umzingelt, während die Menge rief „Heute ist ein Tag der Trauer. Wir Trauenden sind loyale Iraner“. Karroubi protestierte in einer kurzen improvisierten Ansprache gegen den Aufmarsch der Polizei auf dem Friedhofsgelände. Dann kam es zu einem Handgemenge, der Reformgeistliche musste sich in Sicherheit bringen. Mehrere seiner Mitarbeiter wurden nach Angaben von oppositionellen Websites von Revolutionsgarden verprügelt.

Unterdessen warf der frühere iranische Präsident Mohammed Chatami den Justizbehörden „Verbrechen“ gegen inhaftierte Demonstranten vor. Die Schließung des Gefängnisses Kahrizak sei nicht wegen mangelnder Hygiene angeordnet worden, erklärte der Reformpolitiker auf seiner Internetseite. „Nein. Es wurden Verbrechen begangen. Menschenleben gingen verloren.“ Am Montag hatte der Oberste Religionsführer Ayatollah Ali Chamenei angeordnet, das Gefängnis Kahrizak in Süd-Teheran wegen „nicht ausreichender Standards“ zu schließen.

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