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Präsidentenwahl: Irans Reformer unter Schock

Ein chaotisches Land, in dem nichts unmöglich ist - so sehen viele Iraner ihre Heimat und fühlen sich durch die Präsidentenwahl mal wieder bestätigt. Aus dem Stand heraus gelang dem streng religiösen Außenseiter Mahmud Ahmadinedschad der Sprung ins Präsidentenamt.

Teheran (25.06.2005, 17:17 Uhr) - «Er kam aus dem Nichts», meint ein Politologe in Teheran, der wie viele andere Iraner schockiert ist über den Sieg des Hardliners. «Und was noch schlimmer ist: Es ist völlig unklar, wohin er steuert.» Da Ahmadinedschad bis jetzt nur als Gouverneur in Ardebil in Westiran und seit knapp zwei Jahren Bürgermeister von Teheran tätig war, sind seine politischen Pläne genauso unbekannt wie die mögliche Besetzung seines Kabinetts.

Einfach hatte sich Rafsandschani das Rennen zwar nicht vorgestellt, aber dass er auch mit den Stimmen seiner eigenen Kritiker nicht zum Präsidenten gewählt werden konnte, wird wohl für den Veteranen der iranischen Politik ein ewiger Albtraum bleiben. «Ich fühle mich wie im Koma», meint ein Mitarbeiter des Innenministeriums und enger Vertrauter des scheidenden Präsidenten Mohammed Chatami. Ahmadinedschad gilt als Gegner der Reformpolitik Chatamis, der sich vor wenigen Tagen noch indirekt auf die Seite von Rafsandschani gestellt hatte. Dass Chatamis Vision von einer islamischen Demokratie auch von seinem Nachfolger verfolgt wird, ist sehr unwahrscheinlich.

Der Mann mit einer Professur an einer technischen Universität Teherans will auf jeden Fall mit strengeren islamischen Gesetzen die in Richtung Westen tendierende Gesellschaft in Schach halten. Seine Gegner malten schon vor der Wahl Zeiten wie in Afghanistan unter der Taliban-Herrschaft an die Wand - Frauen mit dem Schleier vor dem Gesicht und Männer mit wallenden Bärten und langärmeliger Bekleidung.

Der Pressesprecher des neu gewählten Präsidenten weist diese Vorwürfe als völlig unbegründet zurück: «Die kommen von Leuten, die ihn nicht kennen. In seinem Herzen ist er ein Hisbollah (Mitglied der Partei Gottes), in der Praxis aber Technokrat.»

Vor allem Frauen in Teheran, die schon unter Chatami in ihren Rechten sehr eingeschränkt waren, hatten in den letzten Tagen in einer SMS-Kampagne dazu aufgerufen, auf jeden Fall für Rafsandschani zu stimmen, nur um Ahmadinedschads Sieg zu verhindern.

Mit seinem Ruf etwa nach einer neuen islamischen Revolution, die «den Armen und Barfüßigen Wohlstand bringt», hat er bei den weniger Begüterten in der Millionenmetropole Teheran und anderen großen Städten des Landes Gehör gefunden. Ahmadinedschad, der auch der «islamische Robin Hood» genannt wird, hatte besonders die Arbeiterklasse beeindruckt. Punkte sammeln konnte er nicht nur mit seiner sozialistischen Finanzpolitik, sondern auch durch seine bescheidene Lebensweise. Er wohnt in einem kleinen Haus in einem Arbeitsviertel im Südosten Teherans und fährt einen fast 30 Jahre alten Wagen. Die eher unternehmerfreundliche Wirtschaftspolitik von Rafsandschani und dessen privater Reichtum kamen dagegen schlecht an.

Wie sich die neue iranische Regierung im andauernden Atomstreit mit der Europäische Union verhalten wird, bleibt abzuwarten. «Wenn der neue Präsident nicht eine weise Politik in dem Streit wählt, wird Iran ernste Probleme bekommen», meint ein europäischer Diplomat. Jede überstürzte Entscheidung werde Iran politisch isolieren, die USA provozieren und den Frieden gefährden. (Von Farschid Motahari, dpa)

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