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Politik: Italien geht der Sprit aus

Die Tankwarte streiken gegen die Liberalisierungspolitik der Regierung

Italiens Auto- und Vespafahrer sitzen auf dem Trockenen: Aus Protest gegen die Regierung streiken die Tankstellen. Der Grund: Im zehnten Monat ihrer Amtszeit hat die Regierung von Romano Prodi bereits das zweite „Liberalisierungspaket“ auf den Weg gebracht, das den Wettbewerb fördern und den Verbrauchern günstigere Preise bescheren soll. Das Volk ist begeistert: In Umfragen stimmen die Italiener den einzelnen Maßnahmen mit 55 bis 99 Prozent zu.

Die betroffenen Branchen sehen das Dekret mit gemischten Gefühlen – vor allem, weil sie in dem wirtschaftlich extrem kleinräumig strukturierten Italien eine Flurbereinigung zugunsten großer Konzerne und Handelsketten heraufziehen sehen, ein Sterben der „Tante- Emma“-Geschäfte und zahlloser winziger Familienbetriebe.

Unter diesen melden sich zurzeit die Tankwarte am lautesten zu Wort. Das Gesetz sieht vor, dass ihre durch Abstandsregeln und Handelsbeschränkungen geschützten Reviere aufgebrochen werden und vor allem, dass Supermärkte und große Einkaufszentren auch Treibstoff verkaufen dürfen. 22 400 Tankstellen gibt es derzeit in Italien, bei 82 Prozent handelt es sich immer noch um die kleine, klassische Tanksäule mit Bedienung. In Deutschland, das 23 Millionen Einwohner mehr zählt, gibt es nur 15 000 Tankstellen, davon 95 Prozent mit Selbstbedienung.

Durch die Einbeziehung der großen Supermärkte erhoffen sich Italiens Regierung und die Verbraucherschützer eine Verbilligung des Treibstoffs von bis zu neun Cent pro Liter. Die Tankwarte in den Stadtvierteln indes befürchten, nicht mit den Einkaufszentren am Rand der Städte mithalten zu können. Und deshalb streiken die „Benzinai“ seit Dienstagabend. Bis Freitag wollen sie zunächst keinen Treibstoff verkaufen. Sollte die Regierung nicht einlenken, wollen sie dann bis zu zwei Wochen lang jeweils an zwei bis drei Tagen hintereinander streiken.

Doch nicht nur den Kleinen, auch den Großen fährt die Regierung an den Karren. So dürfen die vier gewaltig verdienenden Mobilfunkbetreiber des Landes ab sofort keine Gebühr mehr für das Wiederaufladen von Prepaid-Handys verlangen. Diese Gebühr liegt derzeit bei jeweils fünf Euro – was bis zu 25 Prozent der Telefonkosten ausmacht, denn die meisten Italiener laden immer nur kleine Beträge auf.

Zu den Liberalisierungsmaßnahmen zählt ferner der Bürokratieabbau beim Gründen eines Betriebs. Statt Dutzenden von Anträgen soll künftig eine einzige Geschäftseröffnungsanzeige beim zuständigen Register genügen. Weitere kleine Beschlüsse sollen das Leben einfacher machen: Telefonverträge sollen ohne Wartezeit kündbar werden. Friseurbesuche sind jetzt auch montags möglich; der bisher vorgeschriebene Schließtag entfällt. Fluglinien dürfen nicht mehr mit Niedrigpreisen werben, auf die sie anschließend alle möglichen Treibstoff-, Sicherheits- und Flughafenzuschläge packen. Sie müssen gleich den endgültigen Flugpreis angeben.

Das Paket der Regierung enthält auch etwas, das weder neu noch eine Liberalisierung ist: Auf Lebensmitteln muss künftig das Verfallsdatum deutlich angegeben werden. Diese Regelung erhält unter den Italienern den stärksten Applaus. Sie scheint bitter nötig zu sein.

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