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Italien: "Operation Überleben"

Der italienische Senat hat Ministerpräsident Romano Prodi das Vertrauen ausgesprochen. Der Regierungschef hat bei der Abstimmung in der zweiten Parlamentskammer 162 Stimmen erhalten. 157 Senatoren stimmten gegen Prodi.

Rom - Als die magische Stimmen-Zahl 162 auf der elektronischen Anzeigetafel erscheint, bricht im Palazzo Madama, dem altehrwürdigen Senatsgebäude in Rom, tosender Beifall los. Sogar Ministerpräsident Romano Prodi, ansonsten ein zugeknöpfter Charakter, zeigt ein strahlendes Lächeln. Eine Woche lang musste er um seine Mehrheit kämpfen: "Dissidenten" aus den eigenen Reihen mussten überredet, "Überläufer" aus dem konservativen Lager gewonnen werden - und ohne die Unterstützung einiger unabhängiger Senatoren auf Lebenszeit hätte die Koalition ihre Mehrheit gleich gar nicht zusammengekriegt. Nun kann Prodis Mitte-Links-Kabinett erst einmal weitermachen - aber reicht die Mehrheit zum Regieren?

Die Lage ist festgefahren, wie seit Jahren nicht mehr in der römischen Politik. Kaum jemand weiß besser als der pragmatische Wirtschaftsprofessor Prodi, dass Italien einige schmerzhafte Reformen dringend anpacken müsste. Doch mit lediglich einer oder zwei Stimmen Mehrheit im Senat, mit widerborstigen Kommunisten und Grünen im Kabinett und ohne eigene Hausmacht für den parteilosen Prodi scheint dies illusorisch. "Operation Überleben", nannte eine römische Zeitung den zweiten Anlauf Prodis. "Aber eine Basis für einen Neuanfang ist das objektiv nicht."

Jubel und Ernüchterung

Trotz des Jubels im Mitte-Links-Lager - unter Italienern herrscht Ernüchterung, ja Enttäuschung über die Regierung Prodi. "Ich erkenne keine Linie, ich sehe kein Programm, ich vermisse Kraft und Entschlossenheit", meint ein älterer Römer, der nach eigenem Bekunden bei den Wahlen im vergangenen Jahr für Prodi stimmte. "Er macht einfach brutta figura". Eine schlechte Figur machen - das ist das schlimmste Urteil, das man in Italien abgeben kann.

Kein Wunder, dass derzeit der Wunsch nach einer Reform des Wahlrechts wieder die Runde macht in Rom, zumindest unter den größeren Parteien. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges waren kurzlebige Regierungen geradezu ein Markenzeichen Italiens - wie das Kolosseum und der Schiefe Turm von Pisa.

Sehnsucht nach Stabilität

Der Gedanke, dass die Zeiten der Kurz-Regierungen wieder anbrechen könnten, ist für viele ein Albtraum. "Wir brauchen stabile Regierungen mit stabilen Mehrheiten, die wirklich regieren können", meint der von Prodi enttäuschte Römer.

Das Problem: Gerade die kleinen Parteien wie etwa Kommunisten, Grüne oder versprengte Christdemokraten und Zentrumsleute würden bei einem Wahlrecht, das stabile Mehrheiten schafft, an Einfluss und Macht verlieren. Doch auf genau diese Kräfte muss Prodi in seiner kunterbunten Neun-Parteien-Koalition Rücksicht nehmen - erst vor einer Woche hatten die Kommunisten demonstriert, wie schnell sie Prodi den Teppich unter den Füßen wegziehen können. (tso/AFP/dpa)

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