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Berlusconi

© dpa

Italien: Rom entschädigt Libyen für Kolonialzeit

40 Jahre nach Ende der Kolonialzeit in Libyen hat der italienische Regierungschef in Zahlungen eingewilligt - und sich öffentlich "für die Schäden" entschuldigt. Fünf Milliarden US-Dollar gehen an das nordafrikanische Land. Berlusconi erhofft sich von der Geste wirtschaftliche Vorteile.

Italien will Libyen mit fünf Milliarden US-Dollar (3,4 Milliarden Euro) für die Kolonialzeit entschädigen. Das Geld soll über die kommenden 25 Jahre und in Form von Investitionen in die Infrastruktur des nordafrikanischen Landes gezahlt werden, sagte Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi am Samstag bei einem Treffen mit dem libyschen Präsidenten Muammar al- Gaddafi. "Im Namen des italienischen Volkes möchte ich mich entschuldigen und unseren Schmerz über das ausdrücken, was vor vielen Jahren passiert ist", erklärte Berlusconi in Bengasi, etwa 1000 Kilometer östlich der Hauptstadt Tripolis.

Laut der Vereinbarung werden jährlich 200 Millionen Dollar gezahlt. Mit der Entschädigung sollen laut Berlusconi "40 von Missverständnissen geprägte Jahre beendet werden: Italien erkennt die Schäden, die es Libyen in der Kolonialzeit zugefügt hat, auch auf moralischer Ebene komplett an." Unter anderem soll das Geld in den Bau einer Küstenautobahn investiert werden, die Libyen mit seinen Nachbarländern Tunesien und Ägypten verbinden soll.

Berlusconi hofft durch Entschädigung auf wirtschaftliche Vorteile

Die Beziehungen zwischen Rom und Tripolis waren viele Jahre sehr gespannt. Der 1969 an die Macht gekommene Gaddafi hatte 1970 die 25.000 seit der Kolonialzeit in Libyen lebenden Italiener ausgewiesen. Lange Zeit hatten beide Seiten nach einer Kompensationslösung für die italienische Kolonialpolitik gesucht. Während der Besetzung Libyens hatte Italien erstmals Kampfgas eingesetzt, auch wurden in den mehr als drei Jahrzehnten Kolonialzeit tausende Libyer nach Italien deportiert.

Berlusconi sieht die Entschädigung auch als Möglichkeit, mehr Öl und Gas aus Libyen zu beziehen. Auch hoffe er auf eine engere Zusammenarbeit beim Kampf gegen die Flüchtlingswelle nach Italien, berichtete die Zeitung "La Repubblica" (Sonntag). Die meisten Immigranten kommen aus Libyen über das Mittelmeer nach Italien.

Verantwortung für Lockerbie-Anschlag nur wegen Sanktionenende übernommen

Derweil erklärte der Sohn des libyschen Staatschefs Saif al-Islam al-Gaddafi, die libysche Regierung habe die Verantwortung für den Lockerbie-Anschlag nur übernommen, um seine Beziehungen mit dem Westen zu normalisieren und die Sanktionen gegen sein Land zu beenden. In einem am Sonntag ausgestrahlten Interview mit dem britischen Sender BBC räumte er ein, in dem Brief an den Weltsicherheitsrat, in dem Libyen "die Verantwortung für die Taten unserer Angestellten übernommen" habe, "mit Worten gespielt zu haben. Was kann man tun. Ohne den Brief zu schreiben, wären wir die Sanktionen nicht losgeworden."

Bei der Explosion einer vermutlich von libyschen Geheimagenten an Bord geschmuggelten Bombe in einem Jumbo der US-Fluggesellschaft PanAm über dem schottischen Lockerbie starben 1988 insgesamt 270 Menschen. Der UN-Sicherheitsrat hatte daraufhin Sanktionen gegen Libyen verhängt. Diese waren erst 2003 aufgehoben worden, nachdem Tripolis die Verantwortung für die Tat übernommen hatte.

Erst kürzlich hatte sich Libyen mit den Hinterbliebenen der Lockerbie-Opfer sowie der des Anschlags auf die Berliner Diskothek La Belle (1986 - drei Tote) auf die Zahlung von 800 Millionen Dollar geeinigt. Saif al-Islam al-Gaddafi, der die Verhandlungen geleitet hatte, sagte der BBC, die Hinterbliebenen hätten sich "gierig" und "materialistisch" verhalten. "Ich glaube, sie schacherten mit dem Blut ihrer Söhne und Töchter". Saif al-Islam al-Gaddafi galt lange als Favorit für die Nachfolge seines Vaters. Vor wenigen Tagen erklärte er allerdings, er wolle sich aus der Politik zurückziehen. (saw/dpa)

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