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IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn muss vorerst weiter in Haft bleiben, da Fluchtgefahr bestehe.

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IWF-Chef: Strauss-Kahn bleibt in Haft

Dominique Strauss-Kahn wehrt sich gegen die Vergewaltigungsvorwürfe. Laut der Zeitung "Le Monde" soll er angeblich ein Alibi haben. Der IWF-Chef muss aber vorerst wegen "Fluchtgefahr" in Haft bleiben.

Dominique Strauss-Kahn muss in New York in Untersuchungshaft bleiben. Ein Gericht lehnte es am Montag nach einer Anhörung des 62-Jährigen ab, den Chef des Internationalen Währungsfonds auf Kaution zu entlassen. Es bestehe Fluchtgefahr, zudem hätten erste medizinische Ergebnisse die Darstellung des Zimmermädchens bestätigt. Ein Anwalt Strauss-Kahns hatte eine Kaution in Höhe von einer Million Dollar angeboten.

Damit muss der Franzose mindestens bis zur nächsten Anhörung am Freitag hinter Gittern bleiben. Ihm werden versuchte Vergewaltigung, sexueller Missbrauch und Nötigung vorgeworfen. Strauss-Kahn soll am Samstag in seinem Hotelzimmer ein Zimmermädchen überfallen haben. Nach ihrer Schilderung wollte er sie zum Oralsex zwingen, sie habe aber leicht verletzt fliehen können.

Strauss-Kahns Anwälte plädierten für ihren sichtlich übermüdeten Mandanten auf nicht schuldig. Nach unbestätigten Angaben war die Frau des Franzosen zur selben Zeit auf dem Weg nach New York mit über einer Million Dollar als Kaution im Gepäck.

Mögliches Alibi von Strauss-Kahn?

In der Affäre um einen angeblichen Vergewaltigungsversuch gab es zuvor Berichte über ein mögliches Alibi des IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn. Der in New York festgenommene Strauss-Kahn war nach Informationen der französischen Zeitung "Le Monde" in der Stadt, um seine Tochter zu treffen. Er habe seine Hotelrechnung bezahlt und sich anschließend mit ihr zum Essen getroffen, berichtete die Zeitung. Die Polizei hatte erklärt, das Zimmermädchen habe die Suite Strauss-Kahns gegen 12.00 Uhr Ortszeit betreten, ohne zu wissen, dass sich dort jemand aufhalte. Anschließend habe der IWF-Chef die Frau attackiert. Laut "Le Monde" fuhr Strauss-Kahn nach dem Essen mit seiner Tochter direkt zum Flughafen. Um 15.40 Uhr habe er für den Flug nach Paris eingecheckt, der eine Stunde später starten sollte. Das Ticket habe er lange im Voraus gebucht. Französische Medien betonten, Strauss-Kahn könne jede Air-France-Maschine auch kurzfristig nutzen.

In Paris habe Strauss-Kahn politische Gespräche mit Blick auf die Präsidentschaftswahl führen wollen, bei der er als aussichtsreichster Kandidat galt, berichtet "Le Monde". Bislang hat er seine Kandidatur noch nicht offiziell erklärt. Anschließend wollte er am Sonntag nach Berlin weiterreisen, um sich dort mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zu treffen. Nach Informationen des französischen Radiosenders RMC wollen Strauss-Kahns Anwälte demnächst Beweise für das Essen mit seiner Tochter vorlegen. Nach ihrer Ansicht bietet das Essen ein Alibi für den Zeitpunkt des mutmaßlichen Vergewaltigungsversuchs. Die Anwälte wollten außerdem argumentieren, dass das Zimmermädchen möglicherweise ein finanzielles Interesse gehabt habe, den IWF-Chef der versuchten Vergewaltigung zu beschuldigen, berichtete RMC. Die Anwälte bestätigten dies zunächst nicht.

Nachfolgedebatte bereits entbrannt

Nichtsdestotrotz läuft bereits eine Diskussion darüber, wer Strauss-Kahn and er Spitze des IWF nachfolgen soll. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich wegen der Schuldenkrise für einen Europäer als Chef der mächtigen Finanzinstitution aus, sollte ein Führungswechsel notwendig werden. Ein Vertreter der Europäischen Zentralbank (EZB) warnte vor einem Machtvakuum beim IWF, der Griechenland, Irland und Portugal im Kampf gegen die Schuldenkrise mit Milliardenbeträgen stützt. "Wir wissen, dass auf mittlere Zeiträume sicherlich die Schwellenländer auch Anspruch haben sowohl auf den Posten des IWF-Chefs als auch auf den Posten des Weltbank-Chefs", sagte Merkel am Montag in Berlin. "Ich glaube allerdings, dass es in der jetzigen Phase (...) gute Gründe gibt, dass Europa auch gute Kandidaten zur Verfügung hat." Als mögliche Kandidatin gilt die französische Finanzministerin Christine Lagarde.

EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny verlangte eine baldige Entscheidung in der Führungsfrage. "Es ist im Interesse aller zu hoffen, dass es rasch eine klare Lösung gibt", sagte Nowotny in Wien. Der IWF müsse handlungsfähig bleiben. Der Eurokurs war zu Wochenbeginn auf den tiefsten Stand seit sieben Wochen gefallen, weil Investoren durch die Festnahme des IWF-Chefs Verzögerungen bei den dringen benötigten Hilfen für Griechenland und andere hoch verschuldete Euro-Staaten befürchten. Auch Kurse von Banken gaben an den internationalen Börsen nach, was Analysten unter anderem mit der Festnahme Strauss-Kahns begründeten.

"Der IWF ist funktionstüchtig", versuchte Regierungssprecher Steffen Seibert Zweifel an der Handlungsfähigkeit zu zerstreuen. "Da wird keine Lücke entstehen." Auch die EU-Kommission versuchte, die Sorge vor einer Zuspitzung der Schuldenkrise durch die Festnahme Strauss-Kahns zu dämpfen. "Ich möchte der Öffentlichkeit, den Märkten und den Medien versichern: Bereits getroffene Entscheidungen werden nicht beeinträchtigt", sagte Kommissionssprecher Amadeu Altafaj in Brüssel. Strauss-Kahn wird beim Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel von der stellvertretenden geschäftsführenden IWF-Direktorin Nemat Shafik vertreten. In der IWF-Zentrale in Washington führt sein Stellvertreter John Lipsky übergangsweise die Geschäfte.

Unabhängig von den Alibi-Berichten gerät Dominique Strauss-Kahn auch in Frankreich immer mehr unter Druck. Nicht nur, dass er in den USA wegen des Vorwurfs der versuchten Vergewaltigung am heutigen Montag dem Haftrichter vorgeführt werden soll, in Frankreich kocht im Zusammenhang mit den aktuellen Vorwürfen auch eine alte Affäre hoch: Eine Journalistin will den 62-Jährigen wegen eines sexuellen Übergriffs vor neun Jahren verklagen. Das teilte der Anwalt der 31-Jährigen der Nachrichtenagentur AFP am Montag mit. Die junge Frau ist nach französischen Medienberichten Patenkind von Strauss-Kahns zweiter Ehefrau und eine gute Freundin von Strauss-Kahns Tochter Camille. Die Mutter der 31-Jährigen ist eine Abgeordnete der sozialistischen Partei PS, der auch Strauss-Kahn angehört. Sie bedauerte kürzlich, dass sie ihre Tochter damals von einer Klage gegen Strauss-Kahn abgehalten habe. "Meiner Tochter ging es sehr schlecht. Aber es wäre aus familiären Gründen zu heikel gewesen", sagte sie der Zeitung "Paris Normandie". Die junge Frau hatte 2007 in einem Fernsehinterview von dem Vorfall berichtet. Der Name Strauss-Kahn war jedoch mit einem Pfeifton unkenntlich gemacht worden. Nach der Schilderung der Journalistin hatte sie den Politiker getroffen, um mit ihm über ihr erstes Buch zu sprechen. Er habe sie zu vergewaltigen versucht, es sei zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen.

Sorgen in Griechenland

Die Festnahme von IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn in New York hat in Griechenland Sorgen ausgelöst, der IWF könnte nun härter mit den Griechen umgehen. Die Geschichte blockiere Griechenland, schrieb die linksliberale Zeitung „Eleftherotypia“ und zitierte einen hohen Funktionär des IWF, ohne seinen Namen zu nennen, mit der Aussage, „Griechenland hat einen Freund verloren“. Das „IWF-Gate“ mache die Auszahlung der fünften Tranche des Hilfsprogramms für Athen in Höhe von 12 Milliarden Euro noch schwieriger, meinte das regierungsnahe Blatt „Ta Nea“. Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU sollen nach Medieninformationen erhebliche Verzögerungen bei der Umsetzung des harten Sparprogramms festgestellt haben. Die Regierung erklärte, sie setze unabhängig der Ereignisse das Reform- und Sparprogramm fort. Strauss-Kahn gilt wegen seines sozialistischen politischen Hintergrunds als ein Mann, der sich gut mit den in Griechenland regierenden Sozialisten versteht. Die EU-Kommission erwartet allerdings durch die Anklage gegen den IWF-Chef in den USA keine Folgen für laufende Hilfsprogramme für Euro-Staaten. Es werde davon ausgegangen, dass der IWF eine „starke Institution“ bleibe, deren Führung auch nach der Verhaftung Strauss-Kahns gewährleistet sei, sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn am Montag in Brüssel. Durch die Ereignisse seien weder Folgen für die laufenden Programme in Griechenland und Irland noch für das kommende Programm für Portugal zu erwarten.

Strauss-Kahn will sich gegen Vorwürfe wehren

Gegen die Anschuldigungen der versuchten Vergewaltigung werde der 62-Jährige „energisch“ vorgehen, sagte sein Anwalt Benjamin Brafman am Sonntagabend, nachdem eine Vorführung des IWF-Chefs vor einen Haftrichter auf Montag vertagt wurde. Strauss-Kahn verließ das Polizeirevier anschließend in Handschellen. Sein Mandant weise jegliches Fehlverhalten von sich, sagte Brafman vor dem New Yorker Gerichtsgebäude. Strauss-Kahn beauftragte mehrere Anwälte mit seiner Verteidigung. Nachdem sich zunächst die Frage gestellt hatte, ob der IWF-Chef diplomatische Immunität genieße, erklärte ein Polizeisprecher später, dies sei nicht der Fall. Strauss-Kahn verließ das Polizeirevier am Abend nach 30 Stunden in Gewahrsam in Handschellen, wie ein AFP-Korrespondent berichtete. Er wurde zu einem Polizeiauto und anschließend zu einem unbekannten Ziel gebracht. Der IWF-Chef sei müde, aber es gehe ihm soweit gut, sagte Taylor.

Dem Franzosen, der gute Aussichten hatte als Präsidentschaftskandidat der französischen Sozialisten gegen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy anzutreten, werden versuchte Vergewaltigung, sexuelle Belästigung und Freiheitsberaubung eines Zimmermädchens vorgeworfen. Die 32-jährige Hotelangestellte sagte laut Polizei aus, Strauss-Kahn habe sie bedrängt, als er nackt aus der Dusche gekommen sei. Nach Angaben des Fernsehsenders MSNBC soll er sie zum Oralsex gezwungen haben. Die Strauss-Kahn zur Last gelegten Delikte können in den USA mit bis zu 20 Jahren Gefängnis bestraft werden. Auch in den französischen Medien wird der Fall vielfach und kontrovers aufgegriffen.

Bei dem mutmaßlichen Opfer handelt es sich nach Polizeiangaben um eine schwarze Frau, die seit drei Jahren in dem Hotel der Sofitel-Kette nahe des Times Square in Manhattan arbeitet, wo es am Samstag zu dem Übergriff gekommen sein soll. Bei einer Gegenüberstellung bei der Polizei habe die Frau Strauss-Kahn eindeutig identifiziert, hieß es. Der IWF-Chef war am Samstagnachmittag auf dem New Yorker John-F.-Kennedy-Flughafen wenige Minuten vor dem Abflug nach Paris von US-Beamten in einer Air-France-Maschine festgenommen worden. Zuvor soll er das Hotel überstürzt verlassen und unter anderem sein Handy zurückgelassen haben. Polizeisprecher John Grimpel sagte, die Beamten seien Strauss-Kahn auf die Spur gekommen, nachdem dieser kurz vor dem Abflug im Hotel angerufen habe, um nach seinem Handy zu fragen. Er habe den Hotelangestellten dann gesagt, wo er sei, damit sie ihm das Handy bringen könnten.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sieht den Internationalen Währungsfonds wegen der Festnahme des IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn geschwächt. „Wenn der Chef nicht da ist, dann ist die Handlungsfähigkeit, die wir jetzt brauchen (...), extrem gefährdet“, sagte Trittin am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. Die Bundesregierung wiederum hat vor einer Vorverurteilung des IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn gewarnt. Über Schuld oder Unschuld müsse die New Yorker Justiz entscheiden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Rechtsstaatlich gelte so lange die Vermutung der Unschuld.

Sozialisten wollen an Vorwahlen festhalten

Die französischen Sozialisten wollen trotz der schweren Vorwürfe gegen ihren bislang aussichtsreichsten möglichen Präsidentschaftskandidaten an den parteiinternen Vorwahlen festhalten. Die Affäre sei eine „Privatangelegenheit“, sagte Parteisprecher Harlem Désir am Montag in Paris. „Die PS ist weder kopflos noch geschwächt.“ Es gebe zahlreiche Politiker, die bei der Präsidentschaftswahl 2012 antreten könnten, fügte er hinzu. Er nannte unter anderem Parteichefin Martine Aubry und ihren Vorgänger François Hollande. Bewerber für die Präsidentschaftskandidatur der Linken können sich vom 28. Juni an melden. Eine erste Wahlrunde ist für den 9. Oktober geplant. Strauss-Kahn hatte sich bislang nicht offiziell zu seinen Plänen geäußert. Sein Amt als IWF-Chef untersagte ihm, sich in die französische Politik einzumischen. Um zu kandidieren, hätte er seinen Posten vor Ablauf seines Mandats verlassen müssen. (AFP, dpa, Reuters)

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