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Politik: Ja, aber …

Offziell lehnt kein EU-Staat einen Beitritt der Türkei ab. Doch viele hoffen auf ein Scheitern, wenn verhandelt werden sollte

Wie hältst du es mit der Türkei? Die Frage hat die EU tief gespalten. Der CDU-Außenpolitiker Wolfgang Schäuble warnt sogar, bei einem Beitritt des Landes werde die europäische Einigung scheitern. Nicht zuletzt strategische Interessen der Mitgliedstaaten bestimmen die Frage, ob die EU sich im Dezember für die Aufnahme von Verhandlungen entscheidet.

„Wer gegen die Vertiefung der politischen Einheit der EU ist, der ist für die Aufnahme der Türkei“, sagt der CDU-Europapolitiker Elmar Brok zum Stimmungsbild im EU-Parlament. Dahinter steht die Sorge, dass die Aufnahme eines kulturell und politisch im Orient verwurzelten Landes dem Traum von einer liberal-demokratischen Union Europas den Boden entziehen würde und eine reine Wirtschaftsgemeinschaft die Folge wäre.

Die neuen, nationalbewussten EU-Mitglieder aus Osteuropa, allesamt Unterstützer der Türkei, verfechten nicht das Konzept der Vereinigten Staaten von Europa. Polen etwa wolle mit seiner Zustimmung auch der Ukraine die Tür zur EU offen halten, sagt Rebekka Göhring von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Dafür stellt das stark katholisch geprägte Land seine Bedenken gegen die Aufnahme eines muslimisch geprägten Staates zurück.

Offiziell könne es sich keine Regierung leisten, einen Türkeibeitritt grundsätzlich abzulehnen, sagt Göhring. „Schließlich hat die EU der Türkei 1999 den Kandidatenstatus verliehen.“ Doch in vielen Hauptstädten rumort es. Der konservative niederländische Premier Jan-Peter Balkenende steht einer breiten Anti-Türkei-Front bei seinem liberalen Regierungspartner gegenüber, die österreichische FPÖ drohen ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel mit Koalitionsbruch, sollte er für Verhandlungen stimmen. Frankreichs Präsident Jacques Chirac hat gar seine eigene Partei, die UMP, gegen sich.

Viele Regierungen, sagt Göhring, hofften darauf, dass eine Mitgliedschaft der Türkei auch nach einer positiven Entscheidung im Dezember noch abgewendet werden könne: „Die Aufnahme von Verhandlungen bedeutet ja nicht, dass diese zwangsläufig erfolgreich verlaufen werden“. Tatsächlich versäumt kein europäischer Politiker, auf die Aufnahmevoraussetzung hinzuweisen: die vollständige Erfüllung der von der EU aufgestellten Beitrittskriterien.

Im Süden der Union indes denkt man weiter. „Wenn wir uns auf einen Beitritt der Türkei einigen, sollte der Maghreb genauso privilegiert sein“, sagte Spaniens neuer Außenminister Miguel Angel Moratinos. Jedoch sollten die Staaten Nordafrikas anders als Ankara nicht in den Brüsseler Entscheidungsgremien sitzen. Aus Sicht des Südens liegt es im Interesse der EU, die Maghrebländer mit ihrem wirtschaftlichen Potenzial an sich zu binden und ihnen zu helfen, ihre sozialen Probleme zu lösen. Mit der Aufnahme der Türkei würde die EU dabei an Glaubwürdigkeit gewinnen, sagt Rebekka Göhring. „Das Vorurteil, das christliche Europa wolle sich von der muslimischen Welt abschotten, wäre danach vom Tisch.“

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