zum Hauptinhalt
Schwieriges Votum. Bei der Abstimmung über die Griechenland-Hilfen im Bundestag fehlten zehn Koalitionsabgeordnete, 22 stimmten dagegen. Foto: Wolfgang Kumm/dpa

© dpa

Politik: Ja, aber

Die SPD hat jeden Schritt der Regierung zur Euro-Rettung gebilligt. So schwer hat sie es sich nie gemacht.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Der Abgeordnete Sigmar Gabriel ist beschäftigt. Vorne am Rednerpult erläutert der Bundesfinanzminister jetzt seit einer halben Stunde die neuesten Züge der Griechenland-Rettung. Der Abgeordnete Gabriel hat einmal ganz zu Anfang ganz kurz die Lesebrille abgenommen und von seinem Platz in der zweiten Reihe der SPD-Fraktion aus Wolfgang Schäuble gemustert. Dann tippt er weiter konzentriert auf sein Smartphone ein. Der SPD-Vorsitzende bietet das Bild eines Menschen, der mit dem ganzen Zeug, das sich da rund um ihn herum gerade abspielt, nichts zu tun haben mag.

Das ist an diesem Freitagvormittag ein durchaus verständlicher Wunsch. Wieder einmal muss der Bundestag Hilfsmaßnahmen für Griechenland genehmigen. Wieder einmal murren bei Union und FDP etliche Abgeordnete, die dem nicht weiter ihre Stimme geben wollen. Die Zahl der koalitionären Widerständler wächst sogar ein bisschen an – am Ende werden zwölf Unionspolitiker Nein sagen und zehn von der FDP, dazu kommt eine Enthaltung auf Unionsseite. Und ob die zehn Abwesenden bei der Koalition wirklich alle krank sind?

Für die Kanzlermehrheit reicht es also wieder nicht, für eine einfache eigene Mehrheit immerhin. Trotzdem ist die Abstimmung eine nette Vorlage für eine Opposition in Vorwahlkampfzeiten, und Volker Beck nutzt sie: „Hätte die Opposition geschlossen mit Nein gestimmt, wären die Griechenland-Hilfen gescheitert. Merkel ist damit von der Kooperationsbereitschaft der Opposition abhängig“, ätzt der Fraktionsgeschäftsführer. Beck hat es aber auch leicht. Er ist Grüner. Kein Sozialdemokrat.

Die Sozialdemokraten nämlich würden es an diesem Vormittag im Reichstag wahrscheinlich am liebsten alle wie ihr Parteichef halten. Die SPD hat bisher jeden Schritt der Regierung in der Euro- Rettung gebilligt. Aber so schwer wie diesmal hat sie es sich nie gemacht.

In der Sache selbst ist das eigentlich nicht begründbar. Was die Euro-Finanzminister in der Nacht zu Dienstag beschlossen haben und was der Bundestag jetzt abstimmen soll, ist etwas, was Sozialdemokraten schon länger fordern: Mehr Zeit für die Griechen, geringere Zinsen, spätere Rückzahlungsfristen für Kredite – Schäuble zählt jede einzelne Maßnahme auf. Der Finanzminister ruft zugleich in Erinnerung, wie die Alternative lautet: „Im Kern entscheiden wir heute über Abbruch oder Fortsetzung des Programms“, mit dem der marode Euro-Staat seit drei Jahren über Wasser gehalten wird. Und Schäuble lobt ausdrücklich die Griechen für das, „was sie schon geleistet haben“. Bei Union, FDP und Grünen klatschen viele dem Satz Beifall.

Bei der SPD rührt sich kaum eine Hand. In der Fraktion hatte es diese Woche eine schwierige Debatte gegeben, nach der es zeitweise sogar so aussah, als könnte die größte Oppositionspartei diesmal ihre Zustimmung verweigern. Da spielten ein paar Ungeschicklichkeiten der eigenen Führung eine Rolle – ein Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier etwa, der zu früh ein Signal ausgesandt hatte, das als Zustimmung zu deuten war. Vielleicht hatte auch der eine oder andere Abgeordnete die Drohung des Kandidaten Peer Steinbrück in der letzten großen Debatte allzu wörtlich genommen, man werde der Regierung nicht mehr die Hand reichen, wenn die die Opposition weiter „hinter die Fichte“ führe. Aber vor allem ist es wohl der schlichte Überdruss daran, schon wieder daheim in den Wahlkreisen den Leuten erklären zu sollen, dass Merkel alles falsch mache und die Leute belüge – und man ihr trotzdem eine breiteste Mehrheit sichert.

Im Plenarsaal muss das Frank-Walter Steinmeier erklären. Er poltert los, dass es eine Art hat. „Unverantwortlich“ verhalte sich diese Kanzlerin, lasse einem „Ungeist“ in den eigenen Reihen ungebremsten Raum, gestatte eigenen Leuten eine „Verbeugung vor der Volksseele“: „Wer täglich mit dem Rausschmiss Griechenlands unterwegs ist ...“ Angela Merkel im erikafarbenen Kostüm zieht leicht die Augenbrauen hoch, bis Steinmeier dann doch sagt, dass er den Markus Söder von der CSU meint. Den bayerischen Finanzminister nehmen sie bei der SPD sonst eigentlich nicht ernst.

Merkel wiederum wirft der Oppositionsführer vor, den Leuten nicht die Wahrheit zu sagen, „dass die Rettung Griechenlands echtes Geld kostet, unser Geld kostet!“ Jeder wisse, dass es auf einen Schuldenschnitt hinauslaufen werde, aber die Regierung wolle das über die Wahlen hinausschieben, die in Niedersachsen, die in Bayern, die im Bund: „Irgendwann wird es kommen, und dann werden wir Sie aus Ihrer Verantwortung nicht entlassen!“

Steinmeier blickt empört durch seine Brille. Dass man den Satz immerhin auch so deuten könnte, als rechne er nicht damit, zum fraglichen Zeitpunkt selbst in der Verantwortung zu sein, scheint ihm nicht weiter aufzufallen. Dass es womöglich kein Wahlkampfhit wird, den Deutschen in Aussicht zu stellen, dass sie demnächst so richtig zahlen werden, ist ihm offenbar auch egal. Schließlich muss er jetzt die Steilkurve kriegen: „Argumente für die Ablehnung liefern Sie zuhauf“, ruft der Fraktionschef, und dass er jeden seiner Abgeordneten verstehen könne, dem die Entscheidung nicht leichtfalle. Aber Sozialdemokraten machten keine Politik bloß für den Tag: „Wir können die Griechen nicht im Stich lassen!“

Die Fraktion klatscht trotzig Beifall. Bei den anderen rührt sich keine Hand, auch bei den Grünen nicht. Die Öko-Partei ist im Grunde in der gleichen Zwickmühle wie die SPD. Aber sie haben sich entschieden, daraus nicht auch noch ein Drama zu machen. Fraktionschef Jürgen Trittin begnügt sich damit, das jetzige Finanzpaket zum richtigen Schritt einer im Übrigen nicht ausreichenden Politik zu erklären: „Mit einer reinen Austeritätspolitik ist der Euro nicht zu retten.“ Ansonsten stimmen die Grünen einfach zu.

Auch der Abgeordnete Gabriel votiert mit Ja. „Wir stimmen nicht über Frau Merkel ab, sondern darüber, ob diese Hilfen für Griechenland notwendig sind“, hat er via Facebook die eigene Gemeinde wissen lassen. Zwanzig Genossen sahen das offenbar diesmal anders – elf Nein-Stimmen von der SPD verzeichnen die Namenslisten des Bundestages und neun Enthaltungen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false