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Jean Asselborn: "Ohne Irland tritt der Vertrag nicht in Kraft"

wie geht es weiter mit der EU? Luxemburgs Außenminister spricht mit dem Tagesspiegel über die Zukunft des Lissabon-Vertrags.

Irland hat vor zwei Wochen den Lissabon-Vertrag abgelehnt. Wie soll es nun weitergehen in der EU?

Wir müssen alles tun, damit wir den Vertrag rechtzeitig zu den Europawahlen in einem Jahr haben. Sollte das nicht gelingen, muss man gut vorbereitet sein auf die Möglichkeit, mit dem geltenden Nizza-Vertrag weiterzumachen.

Falls es beim irischen Nein bleibt, aber gleichzeitig die übrigen 26 EU-Staaten den Lissabon-Vertrag ratifizieren – was würde das für die Reform der Europäischen Union bedeuten?

Wenn nicht alle 27 Staaten mit dem Lissabon-Vertrag einverstanden sind, dann tritt er nicht in Kraft. Man darf nicht eine Sekunde die Möglichkeit in Erwägung ziehen, gewissermaßen mit der Dampfwalze über Irland hinwegzufahren. Wenn man das tun würde, dann stünde das Europa der 27 auf dem Spiel. Nach dem Nein der Franzosen zur EU-Verfassung im Jahr 2005 hat man schließlich auch nie darüber nachgedacht, ob es ein Europa ohne Frankreich geben könnte. Ein Europa ohne Irland ist vorstellbar – dies würde aber dem solidarischen Geist in der Union widersprechen. Diese Solidarität muss auch gelten, wenn es Probleme gibt.

Beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche haben Bundeskanzlerin Merkel, Frankreichs Präsident Sarkozy und Ihr Premierminister Juncker mit einem Erweiterungs-Stopp für den Fall gedroht, dass der Lissabon-Vertrag nicht in Kraft tritt. Was halten Sie davon?

Ich verstehe das als einen taktischen Schnellschuss. Aus meiner Sicht muss man dies aber stark relativieren. In der EU sind der Erweiterungs- und Vertiefungsprozess immer parallel verlaufen. Europa ist ein Friedensprojekt. Und dabei haben wir noch eine riesige Aufgabe zu bewältigen – die Stabilisierung des Balkans. Wir müssen bedenken, wie solche Aussagen auf dem Balkan wahrgenommen werden – sie könnten verheerende Folgen haben. Ein Land wie Kroatien, das große Schritte Richtung EU gemacht hat und seine Beitrittsverhandlungen 2009 abschließen könnte, sollte nicht die Folgen des irischen Nein tragen.

Jean Asselborn (59) ist seit Juli 2004 Luxemburgs Außenminister. Zugleich ist er Vizeregierungschef seines Landes. Mit ihm sprach
Albrecht Meier.

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