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Eingezäunt. Ungarische Soldaten errichten 2015 an der Grenze zwischen Serbien und Ungarn einen Zaun.

© dpa

Jetzt auch noch Tschechien: Wo kommt nur die Angst vor dem Fremden her?

Die Demokratie muss sich sowohl gegen Islamismus als auch gegen Xenophobie verteidigen. Das zeigt sich besonders deutlich in Osteuropa. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Caroline Fetscher

Anfang des Jahres 2017 ließ Tschechien zwölf Flüchtlinge aus Griechenland einreisen. Für die Wähler im Land waren es offenbar zwölf zu viel. Der „tschechische Trump“, der Wahlsieger, Milliardär und Medieninvestor Andrej Babiš, 63, will sein Land „wie ein Unternehmen“ leiten, und verspricht den Leuten, ihnen vom Hals halten, was sie fürchten: Fremde, Flüchtlinge, Europa, und, als Symbol für die EU, den Euro. Gegen Förderung mit Brüsseler Euros fällt gleichwohl kein Wort, die wird auch in europafeindlichen Gefilden gern genommen.

Skandinavien, Frankreich und Deutschland sind derzeit die einzigen, wahren Kräfte eines asylfreundlichen Europa. Immerhin noch ein erheblicher Teil der EU, ein demokratisches Band der Zivilisation von Nord bis Süd. Xenophobe Stimmung hat ganz Osteuropa erfasst, von Fremdenangst – vor allem vor Osteuropäern – diktiert ist der selbstdestruktive Ausstieg Großbritanniens aus der EU, Fremdenfurcht wird überall an den Rändern der EU geschürt, von den Niederlanden bis zu Rumänien und der Slowakei, Polen, Österreich und Ungarn.

Damals war Ungarn die humanitäre Sensation

Die nationalistischen Isolationsimpulse, zumal in Osteuropa, sind jüngeren Datums. Vor 1989 sehnte sich die Bevölkerung hinter dem Eisernen Vorhang nach ihrem Recht auf Mobilität. Man wollte raus, die Welt erkunden dürfen, reisen – und vor allem zu Europa gehören, zu einem grandiosen Projekt demokratischer Solidarität. Kaum jemand erinnert sich an die überwältigende Hilfe der Ungarn, als ausgerechnet dann Jugoslawiens Zerfallskriege begannen. Am 27. Juli 1992, als rund zweieinhalb Millionen auf der Flucht waren, schrieb „Der Spiegel“, die „Wohlstandsfeste Westeuropa sucht sich abzuschotten gegen den Ansturm der Entwurzelten drunten vom Balkan“.

Anfangs war fast jedes Mittel recht, die überwiegend bosnischen Muslime fernzuhalten: „Visasperren, Grenzblockaden, bürokratische Schikanen und Schachern um Aufnahmekontingente.“ Zu diesem Zeitpunkt war Ungarn, ein armer Staat in Osteuropa, die humanitäre Sensation. „Während die Zahl der Verzweifelten täglich zunimmt, beschämt Ungarn Westeuropa und klassische Einwanderungsländer wie die USA, Australien und Kanada, die gleichfalls keinen einzigen Vertriebenen aus Bosnien aufgenommen haben. Als einziges europäisches Land hält der Magyaren-Staat seine Grenzen für die Flüchtlinge noch offen, obwohl er bereits 60 000 angenommen hat.“

In den Folgejahren nahmen viele Staaten geflüchtete Ex-Jugoslawen auf. Von den 350 000, die in Deutschland Schutz fanden, blieben übrigens, was auch wenig bekannt ist, nur 20 000 dauerhaft da, nicht mal sechs Prozent. Was also ist danach passiert, in Osteuropa, im Westen? Und was passiert heute? Knapp gesagt: Der elfte September ist passiert. Es kam zur Eskalation von Konflikten in der arabischen Welt, zur Faszination für Fundamentalismen auch mittels rapider Verbreitung digitaler Inhalte, auch in Europa. Diesem Klima der Regressionen ins Agieren und ins dogmatische Entgleisen zeigt sich Europa bisher kaum gewachsen.

Dämonisieren ist politisch destruktiv

Lernende, ungefestigte Demokratien wie die Staaten Osteuropas, deren EU-Euphorie sich abgeschwächt hat, sind anfällig für Populisten, die Gespenster mit Bart und Burka als Sündenböcke an die Wand malen – obwohl es in ihren Ländern von beidem herzlich wenig bis gar nichts gibt. Westliche Demokratien wiederum, in denen islamistischer Fundamentalismus unter jungen Muslimen, auch Konvertiten, durchaus attraktiv ist, wirken angesichts des Phänomens konzeptlos. Allein die hiesige Bundesanwaltschaft hat 2017 rund 800 Verfahren mit Bezug zu radikalen Islamisten eingeleitet. Wird in Staaten mit erheblichem Rechtsruck, Österreich inbegriffen, verdummend dämonisiert, wird in gemäßigten Staaten häufig forciert verharmlost und ausgewichen. Die dämonisierende Position ist politisch destruktiv, die harmonisierende politisch unproduktiv.

Gefragt wären einander ergänzende Strategien, die sowohl die Gefahren des Islamismus direkt benennen und aktiv angehen, als auch die Gefahren der Xenophobie. Gebraucht wird, vor allem in Brüssel, die Klarheit und Festigkeit eines demokratischen Rahmens, der die Citoyens unterrichtet und damit bei sich hält. Im Bildungssektor, in religiösen Vereinen, in Haftanstalten und im öffentlichen Raum muss unzweideutig klar werden, dass Demokratien selbstbewusst, in großer Deutlichkeit, die Rechte aller Citoyens verteidigen, gegen Islamisten wie gegen Fremdenfeinde.

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