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Der Supermarkt in Arnsdorf, wo der Flüchtling gefesselt worden war. Die damalige Bürgermeisterin hatte das öffentlich verurteilt.

© Christian Essler/dpa

Justizministerin warnt vor Hasskriminalität: Sächsische Bürgermeisterin gibt nach Hetze Amt auf

Solidarität aus Landes- und Bundespolitik: Martina Angermann hatte das Verhalten einer „Bürgerwehr“ verurteilt, die einen Iraker an einen Baum gefesselt hatte.

Nach dem Rückzug der sächsischen SPD-Politikerin und Bürgermeisterin Martina Angermann warnt Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) davor, Hasskriminalität nicht ernst genug zu nehmen. „Wenn sich Menschen aufgrund von Drohungen und Hetze aus ihrem gesellschaftlichen Engagement zurückziehen, gerät unsere Demokratie in Gefahr“, erklärte Lambrecht am Freitag in Berlin: „Das dürfen wir nicht hinnehmen.“ Sachsens SPD-Chef Martin Dulig forderte einen besseren Schutz für Kommunalpolitiker.

Wie am Freitag bekannt wurde, hatte Angermann nach massiver rechtsradikaler Hetze ihr Amt als Bürgermeisterin im sächsischen Arnsdorf bei Dresden aufgegeben. Einem Antrag der 61-Jährigen auf Versetzung in den Ruhestand kam das zuständige Landratsamtes Bautzen nach eigenen Angaben nach.

Arnsdorf geriet 2016 in die Schlagzeilen, weil eine selbst ernannte Bürgerwehr einen psychisch kranken Iraker nach einer Auseinandersetzung in einem Supermarkt an einen Baum gefesselt hatte. Angermann hatte dies öffentlich verurteilt. Im Februar war sie zusammengebrochen und ist seither krankgeschrieben.

„Unsere Bürgermeister brauchen die Wertschätzung und grundsätzliche Unterstützung der Menschen in ihren Gemeinden genauso wie den Schutz des Rechtsstaates“, sagte der SPD-Landesvorsitzende und stellvertretende sächsische Ministerpräsident Dulig dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“.

Zugleich stärkte Dulig der ehemaligen Bürgermeisterin den Rücken: „Martina Angermann ist eine starke Frau. Sie hat Haltung gezeigt und wurde in einer Weise angegriffen, die mit menschlichen Formen der politischen Auseinandersetzung längst nicht mehr zu tun hat. Diese Frau soll von ihren politischen Gegnern vernichtet werden.“

Dulig beklagte eine zunehmende Verrohung in der Gesellschaft. Politische Auseinandersetzungen hätten inzwischen eine „unakzeptable radikale Form angenommen“, durch die „Menschen krank werden und krank gemacht werden“.

„Meine ganze Solidarität gilt der Arnsdorfer Bürgermeisterin und allen, die sich jeden Tag für unsere Gesellschaft einsetzen“, betonte Bundesjustizministerin Lambrecht. Um die Spirale von Hass und Gewalt zu stoppen, würden Hetzer künftig härter verfolgt und bestraft. Das Maßnahmenpaket der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität werde „unter Hochdruck“ umgesetzt. Es diene auch dem besonderen Schutz von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern.

Die an der von Angermann verurteilten Tat beteiligten Männer wurden wegen Freiheitsberaubung angeklagt, Der Flüchtling, um den es ging, wurde knapp ein Jahr später tot in einem Wald gefunden, er war vermutlich erfroren. Der Prozess gegen die „Bürgerwehr“ wurde bald eingestellt, der Richter begründete dies mit der Geringfügigkeit der Strafen im Fall eines Urteils.

Angermann war seit 2001 Bürgermeisterin von Arnsdorf. (dpa/Tsp)

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